Medizin

Hämophilie bald heilbar?

Gentherapien gegen Bluterkrankheit könnten schon in wenigen Monaten zugelassen werden

Blut
Bisher ist die Bluterkrankheit nicht heilbar. Doch jetzt stehen mehrere Gentherapien kurz vor der Zulassung. © donfiore/ iStock.com

Hoffnung für Bluter: Schon bald könnte die Hämophilie heilbar werden – durch eine Gentherapie. Denn inzwischen haben sich mehrere Ansätze zur Genreparatur dieser Erbkrankheit in klinischen Studien bewährt. Experten schätzen, dass die ersten Gentherapien für die Bluterkrankheit schon in wenigen Monaten ihre Zulassung erhalten könnten. Für die Betroffenen würde dies die lebenslange Abhängigkeit von per Infusion verabreichten Gerinnungsfaktoren beenden.

Bei Menschen mit der Bluterkrankheit sind die Gene defekt, die die Bauanleitung für die Blutgerinnungsfaktoren tragen. Als Folge stockt ihr Blut nicht und sie können schon an kleinen Wunden verbluten. Um dies zu verhindern, müssen Betroffene mit einer schweren Hämophilie lebenslang regelmäßig Infusionen mit den fehlenden Gerinnungsfaktoren erhalten.

Bisher nicht optimal behandelbar

Doch diese Behandlung ist aufwändig und zeitraubend: In schweren Fällen müssen Bluter mehrmals pro Woche eine Infusion erhalten – und selbst dann wirkt die Behandlung nicht immer optimal: „Die Medikamente können nicht immer verhindern, dass es doch zu inneren Blutungen kommt“, erläutert Hermann Eichler vom Universitätsklinikum des Saarlandes. Im Laufe der Zeit könne diese Blutungen vor allem die großen Gelenke schädigen.

Die Folge: „Die Patienten leiden dann unter chronischen Schmerzen und zunehmender Gelenkzerstörung, was bei einigen schon im frühen Erwachsenenalter den Einbau von Kunstgelenken erforderlich macht“, so Eichler. Zwar ist bereits eine Antikörpertherapie in der Entwicklung, bei der die Antikörper nur unter die Haut gespritzt werden müssen. Aber auch dies behandelt nur die Symptome und heilt nicht die Krankheit selbst.

Genreparatur statt Symptomlinderung

Anders ist dies, wenn man defekte Gen repariert und der Körper dadurch wieder selbst den Gerinnungsfaktor produzieren kann. Solche Gentherapien gegen die beiden Haupttypen der Hämophilie sind schon seit einigen Jahren in Arbeit. Dabei wird die intakte Version der defekten Gene mithilfe einer viralen Genfähre in den Körper eingeschleust. Diese gesunden Gene dienen dann als Bauplan für die Bildung der fehlenden Gerinnungsfaktoren VII oder IX.

Doch wie weit sind die Arbeiten inzwischen fortgeschritten? Lange krankten die experimentellen Gentherapien gegen Hämophilie daran, dass die Reparatur des Gendefekts nicht von Dauer war: „Die Leberzellen produzierten nur für kurze Zeit Gerinnungsfaktoren, deren Menge nicht ausreichte, um die Betroffenen vor Blutungen zu schützen“, berichtet Eichler. Inzwischen jedoch haben mehrere Firmen in den USA und in Europa Gentherapien entwickelt, die mehrere Jahre lang wirksam bleiben und auch ausreichend Gerinnungsfaktoren produzieren.

Erste Zulassungen schon in ein paar Monaten möglich

Deshalb schätzen Eichler und seine Kollegen von der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI), dass die ersten Varianten dieser neuen Behandlungsoption schon in einigen Monaten verfügbar sein könnten. Denn die Gentherapie gegen Hämophilie B hat sich bereits bei 50 Patienten in klinischen Studien bewährt. Sie erreichten dadurch Faktor VIII-Konzentrationen von bis zu 45 Prozent der Normalwerte von Gesunden.

Bei der Hämophilie A laufen ebenfalls bereits klinische Studien. Ein erster Zulassungsantrag wurde bereits bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA eingereicht. Zudem hat sich die Sorge, dass die Gentherapie die Leber schädigen könnte, nicht bestätigt, wie die Forscher erklären. Es komme zwar bei einigen Patienten anfangs zu einem vorübergehenden und leichten Anstieg der Leberenzyme, was auf eine geringgradige Zellschädigung hinweist. In den meisten Fällen erholt sich die Leber jedoch wieder vollständig.

Wann konkret die ersten Hämophilie-Patienten eine Gentherapie bekommen können, lässt sich nach Angaben von Eichler zwar nicht genau vorhersagen. Wie viele seiner Kollegen ist er jedoch optimistisch, dass dies bereits in einigen Monaten der Fall sein wird. Für Menschen mit schwerer Bluterkrankheit könnte eine solche Gentherapie einen enormen Gewinn an Lebensqualität bedeuten.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.

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