Europäischer Vorfahre: Der in der Bevölkerung weltweit verbreitete MRSA-Keim USA300 hat seinen Ursprung auf unserem Kontinent. Genvergleiche zeigen: Das hochansteckende resistente Bakterium geht auf einen Vorfahren zurück, der vor 160 Jahren in Zentraleuropa entstand. Von dort aus gelangte der Keim Anfang des 20. Jahrhunderts nach Nordamerika, entwickelte sich weiter – und startete seinen Siegeszug um die ganze Welt.
Lange Zeit galten Antibiotika als die schärfste Waffe der Medizin gegen bakterielle Erreger. Doch manche dieser Keime lassen sich inzwischen von keinem gängigen Mittel mehr beeindrucken: Sie sind weitestgehend resistent dagegen. Ein besonders gefürchteter Vertreter solcher antibiotikaresistenten Bakterien ist der methicillin-resistente Staphylococcus aureus, kurz MRSA.
Vormals ausschließlich als Krankenhauskeim berüchtigt, taucht das Bakterium seit den 1990er Jahren auch mehr und mehr im Alltagsleben auf. Betroffen sind oft ganze Gemeinschaften, die im engen Kontakt stehen – zum Beispiel Bewohner eines Altenheims, Sportmannschaften oder auch Gefängnisinsassen. Prinzipiell kann sich der Keim jedoch in jedem Haushalt einnisten. Häufig handelt es sich dabei um den MRSA-Typus USA300: Er löst Infektionen der Haut aus und ist schnell übertragbar.
Von Nordamerika bis nach Afrika
Als hochansteckender Keim, der erstmals vor 17 Jahren in den USA auftauchte und inzwischen in weiten Teilen der Welt verbreitet ist, ist USA300 für Mediziner von großem Interesse. Woher diese MRSA-Variante stammt und wo sie ihre Resistenzen entwickelte, war bisher jedoch unbekannt. Nun hat sich ein Forscherteam um Lena Strauß vom Universitätsklinikum in Münster auf die Fährte des Keims gesetzt und diese Fragen geklärt. Dafür analysierten und verglichen die Wissenschaftler 224 Staphylococcus aureus-Proben aus 22 Ländern.
Wie sie berichten, deuten die Genvergleiche auf einen Ursprung in Zentraleuropa hin. Demnach entwickelte sich USA300 aus einem weniger ansteckenden und weniger resistenten Vorfahren, der bereits vor rund 160 Jahren auf unserem Kontinent zirkulierte. Um das frühe 20. Jahrhundert herum schaffte es dieser Vorfahre dann auch nach Nordamerika. Dort erwarb der Keim schließlich die für USA300 typischen Eigenschaften und startete seinen globalen Siegeszug.
So gelangte der Keim von Nordamerika nach Südamerika, in die Asien-Pazifik-Region sowie zurück zu seinem historischen Ursprungsort Europa. Dass USA300 in diesen Regionen verbreitet ist, war bereits aus früheren Studien bekannt. Die Analysen offenbaren nun jedoch: Der Keim kommt offenbar auch in Afrika, südlich der Sahara, vor.
„Künftige Ausbrüche vorhersehen“
Die Ergebnisse helfen, die Entwicklungsgeschichte des hochansteckenden MRSA-Bakteriums besser zu verstehen. So konnten die Forscher durch ihre Genvergleiche zuvor als mögliche USA300-Vorfahren gehandelte Kandidaten ausschließen – darunter USA500 und einen historischen MRSA-Keim aus Westaustralien. Beide Bakterien sind nur entfernt mit den zurzeit zirkulierenden USA300-Stämmen verwandt.
Strauß und ihre Kollegen hoffen, dass ihnen der Blick in die Vergangenheit Vorteile für die Zukunft verschafft: „Die Verbreitungswege von pathogenen Erregern nachzuvollziehen ist wichtig, um künftige Ausbrüche vorherzusehen und möglicherweise verhindern zu können“, schreiben die Wissenschaftler. (Proceedings of the National Academy of Sciences Plus, 2017; doi: 10.1073/pnas.1702472114)
(PNAS, 21.11.2017 – DAL)