Wer zum ersten Mal davon hört, mag es kaum glauben: Mithilfe einer ungewöhnlichen Behandlungsmethode verringern Mediziner jetzt das Leid von Trauma-Patienten. Eine simple Handbewegung eines erfahrenen Therapeuten reicht aus, damit Patienten ihre belastenden Erinnerungen besser verarbeiten können.
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Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass diese so genannte EMDR-Therapie gute Heilungschancen für Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen bietet.
EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, also Desensibilisierung und Wiederverarbeitung durch Augenbewegungen. Für die EMDR-Behandlung ergründet der Therapeut zunächst die Ursachen der Beschwerden. Ist eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung hergestellt, wird die betroffene Person aufgefordert, sich an die traumatische Situation zu erinnern und sie erneut mit allen Sinneseindrücken zu erleben.
Dabei bewegt der Therapeut seine Hand vor den Augen des Patienten hin und her und bittet ihn, der horizontalen Bewegung mit den Augen zu folgen. Dieses Setting wird so oft wiederholt, bis die Belastung des Patienten messbar abgesunken ist.
Bei manchen Menschen ist das bereits nach zwei Sitzungen der Fall, andere – gerade Patienten mit mehrfachen traumatischen Erinnerungen – benötigen mitunter deutlich mehr Behandlungen.
Entspannter Körper hilft gequältem Geist
Doch worauf beruht der therapeutische Effekt der EMDR-Methode? Mit dieser Frage beschäftigt sich Dr. Martin Sack, von der Klinik für Psychosomatische Medizin in München seit fast zehn Jahren. "Wir wissen, dass durch die Augenbewegungen eine körperliche Entspannung eingeleitet wird", berichtet Sack. "Das macht sich beispielsweise dadurch bemerkbar, dass die Aktivität des Parasympathikus steigt und die Herzfrequenz sinkt."
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Kopplung von traumatischer Erinnerung mit einer körperlichen Entspannung dafür sorgt, dass das Geschehen in die psychische Struktur integriert und verarbeitet werden kann. Aus Sacks langjähriger therapeutischer Erfahrung weiß er, dass solch eine Restrukturierung auch für Patienten möglich ist, die unter lang zurückliegenden Erlebnissen, wie etwa der Erfahrung von Krieg und Vertreibung, leiden.
Wie wichtig dabei die Stimulierung in Form der Augenbewegung ist, ist eine Frage, die Sack aktuell beschäftigt. Er möchte in einer Studie untersuchen, ob es nicht vielleicht schon ausreicht, nur die Hand vor den Augen des Patienten zu heben.
(idw – Universität Jena, 14.06.2006 – DLO)