Unbekannter Taktgeber: Auch die Haut kann offenbar erkennen, ob es gerade Tag oder Nacht ist – ganz ohne Hilfe der Augen. Denn sie besitzt Pigmente, die auf Licht reagieren, wie Experimente mit Mäusen belegen. Durch sie kann die Haut den Takt ihrer inneren Uhr an den Tag-Nacht-Rhythmus anpassen, selbst wenn wichtige Informationen von Augen und Gehirn fehlen.
Unser Stoffwechsel, aber auch viele andere Vorgänge in unserem Körper folgen einem regelmäßigen Tag-Nacht-Zyklus. Dieser Takt der inneren Uhr wird durch bestimmte Gene gesteuert und durch äußere Zeitgeber wie das Tageslicht mit der Umwelt synchronisiert. Dabei leiten lichtempfindliche Pigmente im Auge Informationen über den Lichteinfall an das Gehirn weiter. Von dort werden dann zum Beispiel über die Ausschüttung von Hormonen auch Abläufe in anderen Körpergeweben angepasst.
Lichtempfindliche Moleküle
Doch wie sich nun zeigt, können manche Gewebetypen ihre innere Uhr offenbar ohne Input von Augen und Gehirn synchron mit der Umgebung halten. Ethan Buhr von der University of Washington in Seattle und seine Kollegen haben festgestellt: Auch in der Haut sitzen lichtempfindliche Moleküle, die als Taktgeber fungieren – zumindest bei Mäusen.
Die Wissenschaftler untersuchten für ihre Studie bestimmte Zellen in der Haut der Nager, die ein sogenanntes Neuropsin exprimieren (OPN5). Proteine aus dieser Familie kommen nicht nur im menschlichen Auge vor. Opsine sind auch aus der Haut von Tintenfischen und Chamäleons bekannt und spielen dort wahrscheinlich eine Rolle für den Farbwechsel. Bei einigen Seeschlangen fungieren Opsine im Schwanz als Schattendetektor. Bestimmte Zellen in der menschlichen Haut scheinen ebenfalls solche Photodetektoren zu enthalten – doch ihre genaue Funktion war bisher unklar.
Hautzellen „auf Reise“
Um mehr darüber herauszufinden, kultivierten Buhr und sein Team Mäusehaut im Labor und setzten das Gewebe unterschiedlichen Hell-Dunkel-Rhythmen aus. Es zeichnete sich ab: Auch isoliert in der Petrischale synchronisierten sich die Vorgänge in der Haut mit dem Tageslicht – allerdings nur, wenn die Zellen über ein OPN5-Gen sowie ein funktionierendes Chromophor verfügten, ebenfalls ein Bestandteil von Sehpigmenten.
„Simuliert man mit der kultivierten Haut eine Reise von Seattle nach Japan, passt sich das Gewebe an die veränderten Lichtbedingungen an. Die Haut merkt, dass sich die Zeitzone verändert hat und synchronisiert sich innerhalb weniger Tage dank des Neuropsins“, berichtet Buhrs Kollege Russell Van Gelder.
Vorgänge bleiben im Takt
Doch lassen sich diese Ergebnisse aus dem Zellversuch auch im lebenden Organismus beobachten? Dies testeten die Forscher mit Mäusen, denen unter anderem das Gen für Melanopsin fehlte. Dieses Protein bildet gemeinsam mit dem Chromophor Retinal ein Photopigment im Auge und spielt eine wichtige Rolle für die Synchronisation der inneren Uhr mit dem Tag-Nacht-Zyklus.
Wie erwartet zeigte sich: Ohne diese lichtempfindlichen Moleküle im Auge konnten die Mäuse ihr Verhalten nicht an die äußeren Bedingungen anpassen. So kam es, dass die eigentlich nachtaktiven Nager mitunter schon aktiv herumwuselten, bevor es dunkel wurde. Die Vorgänge in ihrer Haut dagegen blieben im Takt mit den Hell-Dunkel-Rhythmen, wie das Team berichtet. Dies ließ sich unter anderem an der Genaktivität im Gewebe ablesen.
Bedeutung für die Medizin?
„Dies ist der erste Beleg für Opsin-Photorezeptoren außerhalb des Auges, die bei einem Säugetier direkt die circadiane Rhythmik steuern“, konstatiert Buhr. „Unsere Arbeit legt nahe, dass OPN5 ein Photopigment ist, dass in der Haut eine Reihe von lichtabhängigen Physiologien steuert“, schreiben er und seine Kollegen im Fazit ihrer Studie.
In Zukunft wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob auch in der menschlichen Haut solche Taktgeber sitzen – und welche Ansätze sich aus den neuen Erkenntnissen für die Medizin ergeben. Schon länger ist bekannt, dass zum Beispiel Wundheilungsprozesse, aber auch die Anfälligkeit für Hautkrebs mit der Tageszeit und dem Takt der inneren Uhr zusammenhängen. (Current Biology, 2019; doi: 10.1016/j.cub.2019.08.063)
Quelle: University of Washington Health Sciences/ UW Medicine