Fleißiger Partner: Die Tataren-Aster ist für ihre medizinisch wirksamen Inhaltsstoffe bekannt – doch offenbar produziert die Pflanze diese Heilmittel gar nicht selbst. Wie Forscher nun herausgefunden haben, ist stattdessen ein Pilz für die Produktion zuständig. Er lebt in den Blütenständen der Astern, kann aber auch unabhängig von ihnen kultiviert werden. Damit ergibt sich die Möglichkeit, die Wirkstoffe der Pflanze auch kommerziell herzustellen.
Die Natur hat im Laufe der Evolution viele potenzielle Heilmittel hervorgebracht – vor allem Pflanzen enthalten oft Stoffe mit medizinisch nutzbaren Wirkungen. In der traditionellen chinesischen Medizin schon lange als Heilpflanze bekannt ist zum Beispiel die Tataren-Aster (Aster tataricus) und auch die moderne Medizinforschung interessiert sich inzwischen für dieses Gewächs. Der Grund: Die Aster produziert sogenannte Astine, die an ein wichtiges menschliches Regulatorprotein binden. Dadurch können sie womöglich Immunreaktionen unterdrücken und das Wachstum von Tumoren hemmen.
Pilz als Produzent
Doch wie sich nun herausstellt, produziert die Tataren-Aster diese interessanten Stoffe gar nicht selbst. Stattdessen stammen sie von einem Pilz, der im Gewebe ihrer Blütenstände lebt. Diese überraschende Entdeckung haben Thomas Schafhauser von der Universität Tübingen und seine Kollegen gemacht, als sie nach einer Möglichkeit für die biotechnologische Produktion der Naturstoffe suchten.
„Für die Entwicklung eines solchen Verfahrens muss man die beteiligten Gene und den Stoffwechselweg kennen, über den ein Naturstoff gebildet wird“, erklärt Schafhauser. Daher untersuchten die Wissenschaftler die Aster und ihre Astine genauer und stellten fest, dass letztere eine ungewöhnliche und komplexe chemische Struktur aufwiesen. „Vergleiche mit teilweise ähnlichen Naturstoffen deuteten auf Bakterien oder Pilze als Produzenten des Astins hin“, berichtet der Forscher.
Unabhängig kultiviert
Tatsächlich gelang es den Wissenschaftlern in einem nächsten Schritt, den Produzenten ausfindig zu machen. Sie isolierten den Pilz Cyanodermella asteris aus den Blütenständen der Pflanze und kultivierten ihn unabhängig von seiner Wirtspflanze in einer Nährlösung. Dabei stellten Schafhauser und seine Kollegen nicht nur fest, dass der Mikroorganismus anhaltend große Mengen Astin herstellte. Sie identifizierten in seinem Genom auch die DNA-Abschnitte, die für den Aufbau des Naturstoffs zuständig sind – eine wichtige Voraussetzung für die kommerzielle Herstellung.
Überraschend jedoch: Experimente zeigten zwar, dass die Astern ohne ihren Pilzpartner keine Astine mehr produzierten. Umgekehrt scheint aber auch der Pilz für die Produktion bestimmter Varianten dieser Stoffe auf seine Pflanze angewiesen zu sein. So enthielten mit ihrem Pilz zusammenlebende Astern das Astin A. Wurde der Pilz alleine kultiviert, produzierte er diese spezielle Verbindung dagegen nicht.
Vorteilhafte Teamarbeit
„Wir gehen davon aus, dass Pilz und Pflanze hier im Sinne einer Symbiose zu beiderseitigem Vorteil zusammenarbeiten und die Pflanze ein Signal zur Herstellung des Astins A gibt oder selbst das Astin aus dem Pilz weiterverarbeitet“, erklärt Mitautorin Linda Jahn von der Technischen Universität Dresden.
Solche über eine Art hinausgehenden Stoffwechselwege, die die Zusammenarbeit von zwei oder mehr biologischen Partnern erfordern, seien bisher weitgehend unerforscht. „Möglicherweise sind sie stark verbreitet, aber darüber wissen wir zu wenig“, sagt die Wissenschaftlerin. Bei der Tataren-Aster sei unklar, inwiefern ihr der komplexe Stoff Astin Vorteile bringt. Er könnte zum Beispiel bei der Verteidigung gegen Fressfeinde oder Krankheitserreger eine Rolle spielen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019)
Quelle: Universität Tübingen