Medizin

Hepatitis-Fälle unter Kindern geben Rätsel auf

Auslöser für gehäuftes Auftreten von Gelbsucht in Europa noch ungeklärt

Leberentzündung
Die europäische Seuchenzentrale ECDC meldet eine ungewöhnliche Häufung von akuten Leberentzündungen bei Kindern. © magicmine/ Getty images

Rätselhafte Krankheitsfälle: In Europa und besonders in Großbritannien sind in den letzten Monaten ungewöhnlich viele Kleinkinder an Hepatitis erkrankt – ohne dass die Ursache ermittelt werden konnte. Weder die gängigen Hepatitisviren noch Bakterien wurden bei ihnen nachgewiesen. Auffallend war nur eine Häufung von Adenoviren-Infektionen vor allem bei den britischen Kindern. Ob ein kausaler Zusammenhang besteht und ob diese Epidemie anhält, ist jedoch unklar.

Hepatitis ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Sie kann Gelbsucht auslösen – eine akute Entzündung der Leber, die im schlimmsten Falle zur Zerstörung der Leber und sogar zum Tode führen kann. In vielen Fällen verläuft die Hepatitis jedoch schleichend und führt dann erst im Laufe der Zeit zu Leberzirrhose und Leberkrebs. Bisher sind fünf Arten von Hepatitis-Viren bekannt, aber auch andere bakterielle und virale Erreger wie Herpesviren, Salmonellen oder Adenoviren, sowie Autoimmunreaktionen können eine akute Hepatitis verursachen.

Fallzahlen
Gemeldete Fallzahlen von Hepatitis ungeklärter Ursache bei Kindern. © Eurosurveillance/ ECDC

Ungewöhnliche Hepatitis-Häufung

Eine rätselhafte Häufung von Hepatitisfällen ungeklärter Ursache meldet nun das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Demnach sind im ersten Halbjahr 2022 ungewöhnliche viele Kinder im Alter bis zu zehn Jahren an einer Leberentzündung erkrankt. Bis Mitte Juni wurden 427 solcher Fälle aus 20 europäischen Ländern gemeldet, gut die Hälfte davon aus Großbritannien. Mehr als drei Viertel der Kinder waren unter fünf Jahre alt.

Vor allem bei den jüngeren Kindern verlief die Leberentzündung häufig so schwer, dass sie im Krankenhaus oder sogar auf der Intensivstation behandelt werden mussten. „Von den 261 Fällen mit Informationen über die weitere Behandlung wurden 81 Prozent ins Krankenhaus eingewiesen“, berichtet das ECDC. Bei 18 Kindern wurde die Leber durch die Hepatitis so schwer geschädigt, dass sie eine Lebertransplantation benötigten.

Keiner der üblichen Erreger

Was aber ist die Ursache dieser Hepatitis-Ausbrüche? Blutuntersuchungen ergaben, dass die erkrankten Kinder keines der bekannten Hepatitisviren in sich trugen. Auch Herpesviren kamen nur in Einzelfällen vor. PCR-Tests auf das Coronavirus SARS-CoV-2 waren zudem nur bei rund zehn Prozent der getesteten Kinder positiv. „Es ist schwierig, eine definitive Ursache festzustellen“, so das ECDC.

Eine Auffälligkeit gab es jedoch: Vor allem in Großbritannien waren mehr als die Hälfte der erkrankten Kinder mit einem Adenovirus infiziert. Zu diesen Viren gehören viele Erreger von Erkältungen, aber auch Magen-Darm-Infekten. Auch Fieber und Hornhautentzündungen des Auges können auf Adenoviren zurückgehen. „Die Positivrate für Adenoviren in Blutproben war in Großbritannien bei 63,6 Prozent und in den anderen Ländern bei 35,9 Prozent“, berichten Adriana Romani Vidal vom ECDC und ihr Team.

Adenoviren im Verdacht

Das Problem jedoch: In Großbritannien und einigen anderen Ländern gab es schon mehrere Monate vor dem Hepatitis-Ausbruch einen starken Anstieg von Adenoviren-Infektionen bei Kindern. „Außerdem zeigen Überwachungsdaten, dass die Altersgruppe unter fünf Jahren auch unter normalen Umständen stärker von Adenoviren-Infektionen betroffen ist als ältere Kinder“, erklären die Forschenden. Ob die an Hepatitis erkrankten Kinder daher nur zufällig auch mit den Adenoviren infiziert waren oder ob diese Viren die Hepatitis ausgelöst haben, ist noch offen. „Es könnte sich auch um eine Koinzidenz statt eines kausalen Zusammenhangs handeln“, so Vidal und ihre Kollegen.

Allerdings deuten die Daten darauf hin, dass die Adenoviren-Infektion die Hepatitis bei den betroffenen Kindern zu verschlimmern scheint: Von den positiv auf Adenoviren getesteten Kindern musste ein signifikant höherer Anteil im Krankenhaus behandelt werden als von den Fällen ohne Adenovirus-Befund. „Die Adenovirus-Infektion wird als eine der Haupthypothesen für die Ursache der Hepatitis-Fälle weiter untersucht, aber auch andere Faktoren werden erforscht“, erklärt das ECDC-Team.

Untersuchung geht weiter

Das Europäische Seuchenzentrum hat zur weiteren Untersuchung gemeinsam mit der europäischen Abteilung der Weltgesundheitsorganisation WHO ein eigenes Überwachungsprogramm für die Hepatitisfälle bei Kindern initiiert. Richtlinie für Ärzte und Testlabore sollen zudem dafür sorgen, dass mehr Informationen über die Umstände der Erkrankung gesammelt werden können. (Eurosurveillance, 2022; doi: 10.2807/1560-7917.ES.2022.27.31.2200483)

Quelle: European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC)

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