Herpes ausgetrickst: Forscher haben den entscheidenden Schalter entdeckt, der Herpes-Viren bei Stress aktiv werden lässt. Er erlaubt es den Viren, sich trotz Blockade ihres Erbguts in den Nervenzellen zu vermehren und dann Haut und andere Gewebe zu befallen. Der Clou daran: Dieser Schalter lässt sich durch einen Hemmstoff blockieren, wie Forscher an Mäuseneuronen demonstrierten. Gelingt dies auch beim Menschen, könnte dies Herpes-Symptome verhindern, bevor sie entstehen.
Wer Herpes hat kennt das Phänomen: Die lästigen Bläschen blühen immer dann auf, wenn man im Stress ist oder eine Infektion in sich trägt. Der Grund: Einmal infiziert, bleiben die Herpes simplex-Viren lebenslang im Körper und nisten sich in den feinen Nervenenden der Haut und den weiterführen Nervenfasern ein. Vor einigen Jahren entdeckten Forscher, dass bestimmte Immunzellen, die T-Gedächtniszellen, eine wichtige Rolle dafür spielen, die Viren dort unter Kontrolle zu halten.
Doch was genau passiert, wenn Stress das Herpes-Virus wieder aktiviert, blieb unklar. Denn in diesem Zustand sind ins Zellerbgut eingeschleusten Gene des Virus teilweise für das Ablesen blockiert. Neue Viren zu produzieren, ist daher eigentlich kaum möglich. Es muss demnach einen Schalter geben, der das Virenerbgut freigibt und die Virenvermehrung in Gang setzt. Aber wo?
Stresshormon aktiviert Herpes-Viren
Anna Cliffe von der University of North Carolina und ihre Kollegen haben dies nun in Mäusen genauer untersucht. Sie hielten dafür Mäuse-Neuronen in Kultur, die mit Herpes simplex befallen waren. Zunächst befanden sich die Viren in ihrer latenten Phase: Sie waren inaktiv, vermehrten sich nicht und traten auch nicht aus ihrem „Versteck“ im Nerv aus. Als nächstes setzten die Forscher die infizierte Nervenfaser unter Stress, indem sie Stresshormone dazu gaben.
Dabei zeigte sich: Dieser Stress löste tatsächlich eine Virenvermehrung aus, die Herpes-Viren begannen schon bald darauf, in Scharen aus den Neuronen auszutreten. Beim Menschen würde dies ein Lippenbläschen oder sogar eine schwerere Herpes-Folge verursachen, wie die Forscher erklären. Unmittelbar vor dem Austreten der Viren jedoch geschah in der Nervenfaser noch etwas: Eine bestimmte Abfolge von Proteinen wurde aktiviert.
Schalter am Viren-Erbgut
Noch spannender aber: Diese JNK-Proteinkaskade entpuppte sich als der entscheidende Helfer des Herpes-Virus. Denn sobald diese Proteine vorhanden waren, erlauben sie dem Virus, die normalerweise blockierenden Methylanhänge von seinem Erbgut sozusagen zur Seite zu schieben. Dies geschieht mit Hilfe von sich anlagernden Phosphorgruppen.
„Normalerweise verhindern die Methylgruppen das Ablesen der Gene“, erklärt Seniorautor Mohanish Deshmukh von der University of North Carolina. „Aber diese Phosphorylierung löst die Bremsen gerade weit genug, um ein wenig virales Genmaterial abzulesen und zu kopieren.“ Stress aktiviert demnach diesen Methyl/Phospho-Schalter und dieser wiederum verhilft dem Herpes-Virus zur Vermehrung.
Chance für wirksamere Therapie gegen Herpes
Die Identifizierung dieses Schalters könnte sogar ganz praktischen Nutzen haben. Denn wie die Versuche auch zeigten, lässt er sich blockieren. Als die Forscher die JNK-Proteinkaskade bei ihren Mäuseneuronen durch einen Hemmstoff außer Kraft setzten, blieb die Virenvermehrung aus. „Das hatte eine spektakulären Effekt“, sagt Deshmukh. „Wenn wir JNK hemmten, konnte sich das Virus nicht mehr reaktivieren.“
Nach Ansicht der Forscher könnte diese Hemmung auch beim Menschen funktionieren – und damit eine neue und bessere Chance zur Bekämpfung des Herpes bieten. „Die Proteine, die für die virale Reaktivierung nötig sind, kommen nur in Nervenzellen vor – sie sind daher ein guter, spezifischer Ansatzpunkt für Therapien“, sagt Cliffe. Dafür muss nun als nächstes dieser Mechanismus an menschlichen Neuronen nachgewiesen werden.
Wenn dies jedoch gelingt, dann könnten auf dieser Basis neue Medikamente gegen das Herpes-Virus und seine Verwandten entwickelt werden. Weil sie die Vermehrung der Viren schon vor den ersten Symptomen verhindern, könnte die Zeit der lästigen Lippenbläschen vorbei sein. (Cell Host & Microbe, 2015; doi: 10.1016/j.chom.2015.11.007)
(University of North Carolina Health Care, 10.12.2015 – NPO)