Medizintechnik

Herzschrittmacher ohne Akku

Triboelektrisches System bezieht seine Energie aus der Bewegung des Herzens

Herz
Ein neuartiges System nutzt die Bewegung des Herzens, um die Energie für einen Herzschrittmacher zu gewinnen. Im Schwein funktioniert dieser triboelektrische Generator bereits. © Sergey Nivens / iStock.com

Keine Batterie nötig: Forscher haben einen Herzschrittmacher entwickelt, der ohne Akku auskommt. Den nötigen Strom bekommt das System stattdessen aus der Bewegung des Herzens. Möglich wird dies durch einen triboelektrischen Energiesammler, der beim Komprimieren Elektronen abgibt. In ersten Tests mit Schweinen arbeitete das System bereits erfolgreich, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Herzschrittmacher und andere elektronische Implantate haben bisher einen großen Nachteil: Sie beziehen ihren Strom aus einem Akku, der nach einiger Zeit ausgetauscht werden muss. Eine Alternative dazu wären Systeme, die ihre Energie vor Ort beziehen, beispielsweise aus der Körperwärme oder der Bewegung von Organen. So haben Forscher vor kurzem einen Nervenstimulator getestet, der seinen Strom allein durch die Magenperistaltik gewinnt.

Das Problem jedoch: Bisher waren solchen alternativen Energiesammler meist nicht leistungsfähig genug, um einen Herzschrittmacher zu betreiben.

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Kaum mehr als ein flaches Päckchen: Der triboelektrische Generator (iTENG) wird außen ans Herz gesetzt und erzeugt dann elektrische Spannung aus dessen Pumpbewegung. © Zhou Li

Herzbewegung als Energielieferant

Doch dieses Problem könnten Forscher um Han Ouyang vom Institut für Nanoenergie und Nanosysteme in Peking nun überwunden haben. Sie haben ein triboelektrisches System entwickelt, dass die Bewegung des Herzens beim Pumpen als Stromlieferant für den Herzschrittmacher nutzt. Der periodische Druck auf den Energiesammler bringt dabei zwei Materialschichten abwechselnd in Kontakt und auf Abstand – und das setzt Elektronen frei.

Hauptkomponenten des triboelektrischen Systems sind eine Schicht polarisierten Polytetrafluorethylens (PTFE) und eine Aluminiumschicht, die als Elektronendonor fungiert. Ein poröser, schwammartiger Abstandshalter trennt beide Schichten. Durch die Herzbewegung wird diese elastische Trennschicht zusammengedrückt und es kommt zum Elektronentransfer. Die erzeugte Spannung wird über eine Elektrode abgeleitet und an einen kleinen Kondensator als Speichereinheit übertragen. Diese wiederum versorgt den Herzschrittmacher mit Energie.

Genug Strom fürs menschliche Herz

Ob dieses System ausreicht, um auch bei einem großen Tier oder dem Menschen einen Schrittmacher anzutreiben, haben die Forscher nun mit Schweinen getestet. Dafür setzten sie den Tieren den triboelektrischen Energiesammler so in den Brustkorb, dass er an der Außenwand der linken Herzkammer lag. „Dadurch bewirkt die Herzbewegung periodischen Kontakt und Trennung der beiden triboelektrischen Schichten“, erklären Ouyang und sein Team.

Das System funktionierte: Bei jeder Systole des Herzens wurde der triboelektrische Generator zusammengedrückt und erzeugte einen Spannungspuls. Die dabei erzeugte Energie entsprach rund 0,495 Mikrojoule. Das sei mehr als die für Schrittmacher nötige Schwelle bei Schwein oder Mensch, berichten die Wissenschaftler. Im Laufe von drei Stunden stieg dadurch in der Speichereinheit die elektrische Spannung schrittweise von 0 auf 3,55 Volt.

„Dieser Generator stellt damit eine vielversprechende Methode dar, um biomechanische Energie in vivo zu sammeln“, konstatieren Ouyang und sein Team. „Die Leistung des Geräts ist beeindruckend, denn sie ist viermal so hoch wie bei bisherigen Ansätzen dieser Art.“

Rhythmusstörung behoben

Aber reicht dies auch, um einen Herzschrittmacher zu betreiben? Um das zu testen, verbanden die Forscher das System mit einem gängigen Herzschrittmacher und implantierten Schweinen diese Kombination. Nach einer Aufladungsphase lösten sie bei den Tieren reversible Rhythmusstörungen durch starkes Abkühlen der Herzgegend aus. Würde der Schrittmacher dieses Flimmern auch ohne Akku beheben?

Es klappte: Das triboelektrische System stellte genügend Energie bereit, um dem Herzschrittmacher die nötigen Strompulse zu ermöglichen. Diese animierten das Schweineherz wieder zu geregelten Schlägen und auch der zwischenzeitlich abgesunkene Blutdruck des Tieres normalisierte sich wieder. Als der Energievorrat nach rund einer Minute erschöpft war, schlug das Schweineherz von selbst normal weiter.

Vielversprechende Einsatzmöglichkeiten

„Diese Ergebnisse bestätigen, dass dieses triboelektrische Schrittmachersystem auch bei großen Tieren erfolgreich die Herztätigkeit regulieren kann“, konstatieren die Forscher. Zudem sei das System gut verträglich und haltbar. Ihrer Ansicht nach könnten sich solche „symbiotischen Bioelektroniken“ für eine Vielzahl von medizinischen Anwendungen eignen – vom Schrittmacher über Nervenstimulatoren bis zur elektrisch angeregten Zellaktivierung.

Allerdings: Noch ist das System etwas zu groß, um beim Menschen eingesetzt zu werden. Für den klinischen Einsatz müsse es daher noch kleiner und effizienter werden, so Ouyang und seine Kollegen. Dennoch sehen sie in solchen triboelektrischen Systemen einen vielversprechenden Ansatz für die Medizin. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-09851-1)

Quelle: Nature

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