Früher hilft besser: Das antivirale Mittel Remdesivir wirkt möglicherweise doch besser gegen Covid-19 als zunächst angenommen. Denn eine Studie mit Rhesusaffen zeigt nun, dass eine frühe Behandlung mit Remdesivir Atembeschwerden und Lungenschäden verhindern kann. Auch die Virenlast in der Lunge der Affen sank drastisch, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Das weckt Hoffnung, dass dieser Wirkstoff schwere Verläufe einer Corona-Infektion verhindern kann.
Auf der Suche nach einem Mittel gegen Covid-19 war der antivirale Wirkstoff Remdesivir lange ein Favorit. Denn das ursprünglich gegen Ebola entwickelte Mittel blockiert auch bei SARS-CoV-2 wie bei eng verwandten Coronaviren wie SARS und MERS die Virenvermehrung. Doch in zwei klinischen Studien mit schwerkranken Covid-19-Patienten zeigte Remdesivir weniger Effekt als erhofft – nur die Krankheitsdauer wurde leicht verkürzt.
Allerdings: Beide Remdesivir-Studien wurden mit Patienten durchgeführt, bei denen die Covid-19-Erkrankung schon weit fortgeschritten war. In diesem späten Stadium jedoch gehen die meisten Schäden und Symptome weniger auf die Präsenz des Coronavirus zurück als vielmehr auf die extreme Immunantwort des Körpers. Antivirale Mittel wie Remdesivir können daher in diesem Stadium nicht mehr ihre volle Wirkung entfalten – das könnte die enttäuschenden Ergebnisse der ersten beiden Studien erklären.
Therapiebeginn kurz nach Infektion
Deshalb haben nun Brandi Williamson vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in einem Experiment mit Rhesusaffen einen früheren Einsatz von Remdesivir ausprobiert. Für ihre Studie infizierten sie zwölf Rhesusaffen mit Sars-CoV-2, zwölf Stunden später, kurz vor dem Höhepunkt der Virenvermehrung in der Lunge, begann für sechs dieser Affen die Therapie. Die anderen sechs erhielten eine Salzlösung statt des Wirkstoffs.
Die behandelten Rhesusaffen bekamen einmalig zehn Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht Remdesivir, an den Folgetagen gab es jeweils die halbe Menge. Dies entspricht etwa der Dosis, die man einem menschlichen Patienten geben würde, wie die Wissenschaftler erklären. Bei allen Affen wurden der Lungenzustand, die Virenlast und die allgemeinen Symptome regelmäßig kontrolliert, die untersuchenden Forscher wussten dabei nicht, welche Affen welcher Gruppen angehörten.
Schwächere Symptome, weniger Viren
Es zeigte sich: Die unbehandelten Rhesusaffen entwickelten wie erwartet Atemprobleme und ihre Lunge zeigte die für Covid-19 typischen Infiltrationen. Bei den Affen, die Remdesivir bekamen, war dies nicht der Fall: „Nur einer der sechs mit Remdesivir behandelten Affen hatte leichte Atembeschwerden“, so Williamson und ihre Kollegen. „Röntgenaufnahmen zeigten zudem signifikant weniger schwerwiegende Infiltrationen in der Lunge und eine geringere Beteiligung der Lungenflügel.“
Schon zwölf Stunden nach der ersten Dosis war zudem die Virenlast in der Lunge der Rhesusaffen um das 100-fache gegenüber dem Ausgangswert gesunken. Drei Tage nach Beginn der Behandlung waren bei keinem dieser Affen noch Viren in Sekretproben der Lunge nachweisbar, wie die Forscher berichten.
Allerdings: In Nase und Rachen der behandelten Rhesusaffen verringerte sich die Virenlast kaum. Das könnte darauf hindeuten, dass die Affen-Patienten dank Remdesivir zwar weniger stark erkrankten, aber weiterhin infektiös blieben.
„So früh wie möglich geben“
Dennoch: Nach Ansicht der Forscher sprechen ihre Ergebnisse dafür, dass Remdesivir den Verlauf der Coronavirus-Infektion klar positiv beeinflusst hat. Die Covid-19-Erkrankung verlief bei den behandelten Affen signifikant milder. „Eine früh in der Infektion begonnene Therapie mit diesem Wirkstoff hat demnach einen klinischen Nutzen bei mit SARS-CoV-2 infizierten Affen“, konstatieren Williamson und ihre Kollegen.
Diese Studie stützt damit die Hypothese, dass eine früh beginnende Remdesivir-Behandlung einen schweren Verlauf bei Covid-19-Patienten mildern oder sogar verhindern könnte. „Remdesivir sollte so früh wie möglich gegeben werden, um den maximalen Therapieeffekt zu erzielen“, sagen die Forscher. Wann jedoch der richtige Zeitpunkt ist und wie man noch vor Einsetzen der schweren Symptome feststellen kann, wer überhaupt eine Behandlung benötigt, ist bislang offen. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2423-5)
Quelle: Nature