Verbindung von Darm und Hirn: Wenn Menschen regelmäßig Abführmittel nehmen, dann könnte dies ihr Risiko für eine Demenz um bis zu 50 Prozent erhöhen, wie eine Kohortenstudie nahelegt. Vor allem die Wirkstoffe, die osmotisch wirken und den Stuhl weicher machen sollen, erhöhten das Demenzrisiko, möglicherweise weil sie die Darmflora verändern und die Darmbarriere durchlässiger machen, wie die Forschenden in „Neurology“ berichten. Das Alzheimer-Risiko wurde dadurch jedoch nicht erhöht.
In Deutschland sind rund 1,6 Millionen Menschen von Alzheimer, vaskulärer Demenz und anderen Formen des geistigen Abbaus im Alter betroffen – Tendenz steigend. Als mögliche Ursachen dafür gelten neben genetischen Faktoren auch Luftverschmutzung, bestimmte virale Infekte, Bluthochdruck, Übergewicht und eine ungesunde Lebensweise. Auch bestimmte Arzneimittel und eine gestörte Darmflora stehen im Verdacht, das Demenzrisiko zu erhöhen.
Kritischer Blick auf Abführmittel
Jetzt kommt möglicherweise ein weiterer Faktor hinzu: Abführmittel. Sie sind gerade bei älteren Menschen weit verbreitet, in Deutschland nehmen rund 20 Prozent der Allgemeinbevölkerung und 70 Prozent der Pflegeheimbewohner regelmäßig solche sogenannten Laxanzien ein. Um herauszufinden, ob dies das Demenzrisiko beeinflusst, haben Zhirong Yang von der University of Cambridge und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und sein Team die in der der UK-Biobank erfassten Gesundheitsdaten von 502.229 Menschen ausgewertet.
Die Testpersonen waren zu Studienbeginn zwischen 40 und 65 Jahre alt und wurden im Schnitt über zehn Jahre hinweg regelmäßig auf ihren Gesundheitszustand hin untersucht. Dabei wurden neben soziodemografischen Merkmalen, Begleiterkrankungen und Lebensweise auch Ernährung, Medikamenteneinnahme und im Speziellen die Nutzung von Abführmitteln erfragt. Als regelmäßiger Laxanzgebrauch galt eine Einnahme an den meisten Wochentagen.
Höheres Risiko für Demenz, aber nicht Alzheimer
Das Ergebnis: Von den Testpersonen, die regelmäßig Abführmittel einnahmen, erkrankten im Laufe der knapp zehn Jahre rund 1,3 Prozent an einer Demenz. Bei den Teilnehmenden, die keine Abführmittel nutzten, waren es nur 0,4 Prozent, wie Yang und sein Team ermittelten. Statistisch gesehen ergab der Vergleich unter Berücksichtigung aller weiteren Risikofaktoren ein erhöhtes Demenzrisiko von 50 Prozent bei regelmäßiger Einnahme von Abführmitteln.
Nähere Analysen ergaben, dass die Abführmittel vor allem das Risiko für Demenz allgemein und für eine vaskuläre Demenz erhöhten, nicht aber für Alzheimer. Besonders stark zeigte sich dieser Effekt zudem bei den Patienten, die zuvor verschiedene Arten von Abführmitteln oder aber osmotisch wirksame Laxanzien eingenommen hatten. Diese Mittel ziehen Wasser in den Darm und verdünnen so den Stuhl.
Störung von Darmflora und Darmbarriere
Doch wie kann ein Abführmittel auf das Gehirn wirken? Ein möglicher Faktor ist die Darmflora: Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass, dass osmotisch wirksame Laxanzien das Mikrobiom des Darms verändern. Das wiederum kann die Produktion von Botenstoffen im Darm verändern, die dann über die Darm-Hirn-Achse auch das Gehirn beeinflussen. Zudem können Abführmittel auch die Darmbarriere schwächen und so den Übergang von Giftstoffen und entzündungsfördernden Botenstoffen aus dem Darm in das Nervensystem erleichtern. Auch dies kann Demenzen begünstigen.
Die aktuelle Studie kann diese biologischen Zusammenhänge von Abführmitteln und Demenzen zwar noch nicht belegen. Denn dafür müssten erst noch gezieltere klinische Studien durchgeführt werden. „Dennoch raten wir angesichts des Ergebnisses zur Vorsicht im Umgang mit Laxanzien, gerade vor dem Hintergrund, dass Demenzerkrankungen immer weiter zunehmen“, kommentiert Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.
Gesunde Ernährung statt Abführmittel
Nach Ansicht des Experten könnte eine gesunde Ernährung daher womöglich gleich doppelt vor Demenz schützen: Sie macht Abführmittel überflüssig und wirkt vorbeugend gegen kognitiven Abbau. Empfehlenswert ist demnach eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten und vor allem ausreichend Flüssigkeit in Form von Wasser oder ungesüßten Tee.
„Eine solche Ernährungsumstellung hat womöglich gleich eine doppelte Schutzwirkung gegen Demenz“, erklärt Berlit. „Zum einen lässt sich in vielen Fällen auf Abführmittel verzichten, die einen potenziell schädigenden Einfluss auf die Hirngesundheit haben, zum anderen gilt eine gesunde Ernährung per se als wichtige Säule der Demenzprävention. Für den Erhalt der geistigen Funktion bis ins hohe Alter lohnt es sich in jedem Fall, seine Ernährung umzustellen.“ (Neurology, 2023; doi: 10.1212/WNL.0000000000207081)
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.