Zweifel angebracht: Die zur Wirksamkeit der Homöopathie veröffentlichten Ergebnisse könnten deutlich verzerrt und wenig aussagekräftig sein. Denn eine Analyse enthüllt nun gehäufte Verstöße gegen gängige Leitlinien bei homöopathischen Studien und Publikationen. So geht gut die Hälfte aller Homöopathie-Publikationen auf nichtregistrierte und damit nicht nachvollziehbare Studien zurück. Bei einem Viertel wurden zudem Zielvorgaben nachträglich angepasst, 38 Prozent der Studien sind nie publiziert worden.
Die Homöopathie ist stark umstritten: Während viele Menschen auf die Heilkraft der „sanften“ Mittel vertrauen, sehen andere in den Globuli und Tinkturen bloße Quacksalberei. Denn die meisten homöopathischen Mittel sind so verdünnt, dass kein einziges Wirkstoffmolekül mehr enthalten ist. Veröffentlichte Studien liefern zudem sehr widersprüchliche Ergebnisse dazu, ob diese Mittel besser wirken als ein Placebo. Dem Erfolg der Homöopathie tut dies jedoch keinen Abbruch: Im Jahr 2018 erreichten die Umsätze allein in Nordamerika und Europa 5,5 Milliarden US-Dollar.
Klare Richtlinien für Studien und Publikationen
Doch eine neue Metaanalyse weckt nun erhebliche Zweifel an der Verlässlichkeit und Seriosität der homöopathischen Forschung. Denn wie Gerald Gartlehner von der Donau-Universität Krems und seine Kollegen festgestellt haben, wird in diesem Bereich besonders häufig gegen die Leitlinien wissenschaftlicher Praxis verstoßen. Nach der Deklaration von Helsinki im Jahr 2008 müssen demnach klinische Studien vorab zentral registriert und beschrieben werden sowie ihr Ausgang ungeachtet der Ergebnisse publiziert werden.
Dies soll den sogenannten „Publication Bias“ verhindern – eine Verzerrung der Ergebnisse, die auftritt, wenn nur Studien mit dem erhofften, positiven Ausgang publiziert werden, unliebsame Resultate hingegen in der Versenkung verschwinden. Die Registrierung vorab soll zudem verhindern, dass Fragestellung und Zielpunkte einer Studie nachträglich verändert und so an die Ergebnisse angepasst werden – auch das kann zu einer Verfälschung führen.
Gut die Hälfte der Studien wurde nie registriert
Um herauszufinden, wie gut Homöopathie-Studien und -Fachartikel diesen Vorgaben folgen, haben Gartlehner und sein Team die Einträge der drei größten internationalen Studienregister bis 2019 ausgewertet – das US Clinicaltrials.gov, das EU Clinical Trials Register und die International Clinical Trials Platform (OICTRP). Anschließend recherchierten sie in Publikationsverzeichnissen, wie viele und welche Homöopathie-Studien von 2002 bis heute publiziert worden sind.
Das Ergebnis: 53 Prozent der in Fachjournalen publizierten Homöopathie-Veröffentlichungen gehen auf Studien zurück, die nie in den offiziellen Datenbanken registriert worden sind. Dies sei auch von Seiten der Fachjournale ein klarer Verstoß gegen gängige Leitlinien, erklären Gartlehner und seine Kollegen. Denn das International Committee of Medical Journal Editors hat 2005 vereinbart, nur Ergebnisse offiziell angemeldeter Studien zu veröffentlichen. „Diese Richtlinie wird bei den Homöopathie-Studien eindeutig nicht eingehalten“, so die Forscher.
Klare Indizien für einen „Publikation Bias“
Ein weitere Auffälligkeit: Knapp 38 Prozent der in den letzten 20 Jahren registrierten Homöopathie-Studien haben ihre Ergebnisse nie veröffentlicht, der Anteil der ungemeldeten und nie publizierten Studien dürfte noch deutlich höher liegen.. „Dies legt nahe, dass die Veröffentlichung oft von den Ergebnissen abhängig gemacht wurde“, schreiben Gartlehner und sein Team. Tatsächlich ist dieser sogenannte „Publikation Bias“ allerdings ein Problem bei vielen medizinischen Studien, wie frühere Analysen schon mehrfach gezeigt haben.
Auf eine selektive Meldung und Publikation deutet bei den Homöopathie-Studie jedoch noch ein weiterer Befund hin: Bei den registrierten Studien wurde die Mehrheit nicht vorab angemeldet, wie eigentlich vorgeschrieben, sondern erst im Nachhinein. Bei rund einem Viertel der Studien wurden zudem die als Maßstab für die Wirkung geltenden Zielwerte und Ausgänge nachträglich verändert, wie die Wissenschaftler feststellten.
Diskrepanz der Ergebnisse
Hinweise auf eine Verzerrung lieferte auch eine ergänzende Metanalyse, in der die Forscher den Ausgang von unregistrierten Homöopathie-Studie mit dem von offiziell gemeldeten verglichen. Das Ergebnis: Während die offiziell registrierten Studien keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen Placebo und Wirkung ergaben, waren die Ausgänge der ungemeldeten Studien im Schnitt positiv. Das könnte den Verdacht wecken, dass die ungemeldeten Studien möglicherweise im Studiendesign oder den Methoden nicht den Vorgaben folgen und daher nicht registriert wurden.
„Für die Pharmaindustrie ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass sie den Behörden alle Studiendaten überlässt – unabhängig davon ob die Resultate publiziert wurden oder nicht“, erklären Gartlehner und sein Team. „Die Homöopathie ist jedoch von den meisten Regularien ausgenommen.“ Das jedoch mache es umso wichtiger, dass die publizierten Daten verlässlich seien. Denn eine behördliche Kontrolle des Studiengeschehens gebe es nicht.
„Besorgniserregender Mangel an wissenschaftlichen und ethischen Standards“
„Insgesamt enthüllen unsere Ergebnisse einen besorgniserregenden Mangel an wissenschaftlichen und ethischen Standards im Feld der Homöopathie und ein hohes Risiko für einen Reporting Bias“, konstatieren die Forscher. Diese schlechte Praxis trägt ihrer Ansicht nach erheblich dazu bei, die Sicht auf die Homöopathie und ihre möglichen Wirkungen zu verzerren.
„Diese Praxis beeinträchtigt die Aussagekraft der homöopathischen Fachliteratur und könnte dazu geführt haben, dass die tatsächlichen medizinischen Wirkungen von homöopathischen Mitteln überschätzt wurde“, warnen Gartlehner und seine Kollegen. (BMJ Evidence Based Medicine, 2022 doi: 10.1136/bmjebm-2021-111846)
Quelle: BMJ