Medizin

IARC: Nachtarbeit „wahrscheinlich krebserregend“

WHO-Experten stufen nächtliche Schichtarbeit als möglichen Krebsauslöser ein

Nachtarbeit
Nächtliche Schichtarbeit bringt unsere innere Uhr aus dem Takt - und könnte dadurch Krebs auslösen. © Ranta images/ iStock.com

Nächtliches Arbeiten als Gesundheitsgefahr: Nachtschichtarbeit bringt nicht nur unseren Biorhythmus durcheinander, das ständige Arbeiten gegen die innere Uhr ist wahrscheinlich auch krebserregend. Diesen Zusammenhang bestätigt nun die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO. Die Wissenschaftler stufen Nachtarbeit in Bezug auf die Kanzerogenität damit in dieselbe Gruppe wie Glyphosat und rotes Fleisch ein.

Unser Stoffwechsel, unsere Hormone, aber auch viele andere Vorgänge in unserem Körper folgen einem regelmäßigen Tag-Nacht-Zyklus. Dieser Takt der inneren Uhr wird durch bestimmte Gene gesteuert und durch äußere Zeitgeber wie das Tageslicht mit der Umwelt synchronisiert.

Im Alltag jedoch leben viele Menschen gegen diesen natürlichen Rhythmus. Besonders extrem ist dies bei Nachtarbeitern – und das kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben: Das ständige Arbeiten gegen die innere Uhr fördert Übergewicht und Diabetes, schadet Herz und Kreislauf und beschleunigt möglicherweise sogar den geistigen Abbau. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass ständige Nachtschichten das Krebsrisiko erhöhen.

Neubewertung nach zwölf Jahren

Doch wie gut ist dieser Zusammenhang belegt? Bereits im Jahr 2007 stuften von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beauftragte Experten nächtliche Schichtarbeit als „wahrscheinlich für Menschen krebserregend“ ein. Weil seitdem eine Vielzahl neuer Studien zu dem Thema veröffentlicht wurde, hat sich ein Expertengremium aus 27 Wissenschaftlern aus 16 Ländern nun zu einer Neubewertung getroffen.

Für ihre Evaluation werteten die Forscher die gesamte verfügbare Literatur zu Nachtschichtarbeit und Krebs aus. „Es war eine in weiten Teilen durchaus kontrovers geführte Diskussion“, berichtet Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. „Einige neuere Studien fanden keinen Zusammenhang zwischen Nachtschichtarbeit und Krebs, andere wiederum zeigten überzeugend Risiken auf. Und die Einordnung der biologischen Befunde ist teils hoch kompliziert.“

Kanzerogenität von Nachtarbeit
Die WHO-Experten stufen Nachtschichtarbeit in die Kategorie 2A ein: wahrscheinlich krebserregend. © IARC/ WHO

Deutlicher Zusammenhang bei Brust, Prostata und Darm

Insgesamt spricht die aktuelle Datenlage den Experten zufolge dafür, die Einschätzung von 2007 zu bestätigen. Nächtliche Schichtarbeit, so ihr Fazit, ist „wahrscheinlich krebserregend“. Wie die Wissenschaftler berichten, belegen Tierexperimente, dass Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus ein Krebsauslöser sein können. Untersuchungen am Menschen seien jedoch nicht eindeutig genug, um Nachtarbeit zweifelsfrei als krebserregend einzustufen.

„Es gibt eine relativ deutliche Assoziation zwischen Nachtarbeit und malignen Tumoren der Brust, der Prostata und des Darms. Allerdings lassen sich, bedingt durch die Studiendesigns, andere Erklärungen nicht vollkommen ausschließen – darum mussten wir uns den Entscheidungskriterien der IARC gemäß für die Gruppe 2A, wahrscheinlich krebserregend, entscheiden“, erklärt Zeeb.

Gleiche Kategorie wie Glyphosat und rotes Fleisch

Damit fällt nächtliche Schichtarbeit in dieselbe WHO-Kategorie wie das Herbizid Glyphosat, rotes Fleisch oder die Arbeit als Friseur. Doch was bedeutet dies nun konkret? Wie die Expertengruppe betont, sagt ihre Einordnung lediglich etwas über die Stärke der Evidenz dafür aus, dass Nachtarbeit unter bestimmten Bedingungen Krebs auslösen kann.

Wie hoch dieses Risiko aber genau ist, darüber trifft die Bewertung keine Aussage. Es kann somit nichts über die Wahrscheinlichkeit gesagt werden, mit der Nachtschichtarbeit Tumore verursacht. Aus diesem Grund macht das Expertengremium auch keine weitergehenden Empfehlungen für Politik oder Betroffene. Sie raten lediglich: „Wenn Sie Nachtschichtarbeiter sind oder waren und um ihre Gesundheit besorgt sind, sollten sie ihren Arzt um Rat bitten.“

Das Thema Nachtschichtarbeit betrifft einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung: Immerhin rund 20 Prozent aller Beschäftigten arbeiten außerhalb der typischen Arbeitszeit am Tag – vom Krankenpfleger, über den Fabrikangestellten bis hin zum Flugzeugpiloten. (The Lancet Oncology, 2019; doi: 10.1016/S1470-2045(19)30455-3)

Quelle: Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie

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