Tödlicher Trend: Aktuell sterben rund 3,8 Millionen Menschen pro Jahr an einer Pilzerkrankung, wie eine neue Erhebung zeigt. Das sind fast doppelt so viele wie noch vor einem Jahrzehnt. Dieser Trend könnte unter anderem auf die Corona-Pandemie zurückgehen, da Covid-19 und antivirale Mittel die Immunabwehr Betroffener beeinträchtigt haben. Aber auch ein Mangel an wirksamen Medikamenten gegen Pilzinfektionen und zunehmende Resistenzen spielen eine Rolle, so der Forscher.
Pilze sind eine oft unterschätzte Gefahr für unsere Gesundheit. Denn die Mikroorganismen können unseren Körper auf vielfältige Weise angreifen – von oberflächlichen und eher harmlosen Hautpilzen wie der juckenden Ringelflechte bis hin zu lebensbedrohlichen Infektionen mit dem resistenten Erreger Candida auris, der schwere Organschäden verursachen kann. Doch wie viele Menschen von Pilzerkrankungen betroffen sind, ist schlecht dokumentiert.
Mangelnde Diagnostik
Denn selbst in wohlhabenden Ländern sind oft keine entsprechenden Testkits für gängige Pilzinfektionen verfügbar, werden nicht genutzt oder sie erkennen nicht zuverlässig alle Infektionen. Wegen einer fehlenden oder zu späten Diagnose werden die Betroffenen häufig nicht rechtzeitig behandelt. Der Infektionsmediziner und Mykologe David Denning von der University of Manchester hat sich die Lage nun genauer angeschaut.
Um herauszufinden, wie viele Menschen weltweit infolge einer Pilzinfektion sterben, hat er versucht, deren Dunkelziffer zu bestimmen. Dafür trug er Zahlen zu offiziell diagnostizierten Pilzinfektionen aus den Jahren 2010 bis 2023 aus 120 Ländern zusammen und verglich diese mit Todeszahlen und Überlebensraten von behandelten und unbehandelten Infizierten. Zudem analysierte er die jeweiligen Patientenleitlinien der Länder und welche Diagnosetests verfügbar waren.
Zahl der Pilz-Toten nahezu verdoppelt
Das Ergebnis: Weltweit infizieren sich jährlich etwa 6,5 Millionen Menschen mit einem pathogenen Pilz. Rund 3,8 Millionen Menschen sterben infolge einer Pilzerkrankung. Elf Jahre zuvor (2012) waren es noch rund zwei Millionen Todesfälle und damit etwa halb so viele wie heute, wie Denning berichtet. Demnach hat die Zahl der Pilzinfektionen mit Todesfolge drastisch zugenommen. „Pilze sind den Zahlen zufolge inzwischen für 6,8 Prozent aller Todesfälle weltweit verantwortlich. Zum Vergleich: Auf Herzerkrankungen und Schlaganfälle entfallen etwa 16 beziehungsweise elf Prozent aller Todesfälle“, so Denning.
Schuld am tödlichen Verlauf vieler Pilzinfektionen sind vor allem Vorerkrankungen und ein geschwächtes Immunsystem der Betroffenen. So gehen etwa die Hälfte aller Aids-Toten laut Denning auf eine Pilzerkrankung zurück, oft unerkannt und unbehandelt. Todesursache ist dann beispielsweise eine von Kryptokokken verursachte Meningitis oder eine Histoplasmose, ausgelöst durch den Pilz Histoplasma capsulatum.
Pilzinfektionen über die Lunge und das Blut
Auch bei Lungenerkrankungen spielen unerkannte Pilzinfektionen eine große Rolle, wie Denning ermittelte. So waren etwa 30 Prozent der an Tuberkulose oder einer rauchbedingten Lungenerkrankung Verstorbenen zugleich mit einem Pilz infiziert. Die Mikroorganismen waren hierbei nicht der Auslöser der Lungenerkrankung, haben aber mit zum Tod der Patienten beigetragen.
Zu den gefährlichsten Pilzen, die die Lunge infizieren, gehören die Schimmelpilze Aspergillus fumigatus und Aspergillus flavus. An ihnen sterben jährlich etwa 1,8 Million Menschen. Sie befallen vor allem Menschen mit einer Vorerkrankung der Lunge – darunter Asthma, Tuberkulose und Lungenkrebs – oder einer anderen Vorerkrankung wie etwa Blutkrebs. Auch nach einer Organtransplantation und auf einer Intensivstation sind Menschen anfälliger für eine Aspergillus-Infektion, wie Denning berichtet.
Weitere, potenziell tödliche Erreger sind Pilze der Gattung Candida. „Jährlich sterben weltweit etwa eine Millionen Menschen an einer Candida-Infektion“, so Denning. Im Körper schwerkranker Personen überwinden diese gängigen Darmpilze die Darmwand und dringen in den Blutkreislauf ein, wo sie eine Blutvergiftung verursachen können. „Besonders häufig betroffen sind Patienten mit Diabetes und Nierenversagen sowie bei Menschen nach einer größeren Operation oder einem Trauma.“
Zusammenhang mit Corona-Pandemie
Warum aber sind die Infektionszahlen im vergangenen Jahrzehnt so drastisch gestiegen? Das könnte unter anderem mit der Corona-Pandemie zusammenhängen, wie Denning berichtet. Demnach trat beispielsweise der sogenannte schwarze Pilz erstmals im großen Stil nach der Ausbreitung von Covid-19 in Indien auf. Bei der von ihm verursachten Mukormykose blockiert der Pilz die Blutzufuhr befallener Körperteile, wodurch Gewebe abstirbt. „Während 2021 weltweit nur etwa 10.000 Fälle dieser Krankheit bekannt waren, waren es nach der Pandemie allein in Indien 51.000“, so der Forscher.
Als mögliche Ursachen nennt Denning, dass Diabetes-Patienten während der Pandemie schlechter überwacht und behandelt wurden und Covid-Patienten mit übermäßig vielen Steroiden behandelt wurden. Beide Gruppen seien dadurch anfälliger gegenüber dem „schwarzen Pilz“ geworden. Auch Infektionen mit Aspergillus und Candida seien vermehrt bei Covid-Patienten auf Intensivstationen aufgetreten, aber auch bei Influenza-Patienten. Eine gleichzeitige Epidemie von Infektionskrankheiten erleichtert demnach die Ausbreitung von Pilzen.
Frühe Diagnose entscheidend
Da Pilze überall in unserer Umgebung und selbst in unserem Darm und auf unsere Haut auf natürliche Weise vorkommen, werden Pilzinfektionen auch künftig unvermeidbar sein. „Hinzu kommt, dass es keine Impfstoffe gegen Pilze und teils auch keine wirksamen Medikamente gibt“, berichtet Denning. Denn ähnlich wie bei Bakterien sind auch Pilze zunehmend resistent gegenüber gängigen Wirkstoffen. Dazu trage unter anderem der Einsatz von Fungiziden in der Landwirtschaft bei.
Um dort eine Behandlung zu ermöglichen, wo es wirksame Arzneien gibt, und die Ausbreitung zu verhindern, ist deshalb eine genaue und zeitnahe Diagnose dringend erforderlich, mahnt Denning. „Wir müssen Pilze sehr ernst nehmen.“ (Lancet Infectious Diseases, 2024; doi: 10.1016/S1473-3099(23)00692-8)
Quelle: David W. Denning