Heilmittel aus der Natur: Forscher haben entdeckt, dass ein in Kanada vorkommender Ton stark antibakteriell wirkt. Die graue Erde tötete in Labortests selbst multiresistente Erreger restlos ab, wie Forscher im Fachmagazin „mBio“ berichten. Dies bestätigt, dass der schon seit Jahrhunderten von indianischen Ureinwohnern als Heilmittel genutzte Ton tatsächlich medizinisch wirksam ist. Er könnte künftig helfen, hartnäckige Infektionen zu bekämpfen.
Schon lange vor Entdeckung der Antibiotika haben unsere Vorfahren bestimmte Pflanzen und Erden als Medizin eingesetzt. Und auch die Neandertaler könnten sich mit roter Erde eingerieben haben, um Insekten abzuwehren oder sich vor Infekten zu schützen.
Traditionelles Heilmittel aus dem Boden
Für die indianischen Ureinwohner im Westen Kanadas ist ein besonderer Ton schon seit Jahrhunderten die Arznei der Wahl. Der von den Angehörigen der First Nations genutzte Kisameet Clay ist ein sehr feiner grauer Ton, der aus einer 400 Kilometer nördlich von Vancouver liegenden Senke stammt. Gebildet wurde dieses rund 400 Millionen Kilogramm umfassende Tonvorkommen am Ende der letzten Eiszeit.
„Anekdotischen Berichten zufolge wird dieser Ton von ihnen für eine ganze Reihe von Beschwerden eingesetzt, darunter entzündliche Darmentzündungen, Arthritis, Hautirritationen und Gefäßentzündungen“, berichten Shekooh Behroozian und seine Kollegen von der University of British Columbia in Vancouver. Ähnliches wurde auch schon von anderen Tonmineralen berichtet, bisher jedoch wurde keiner offiziell für therapeutische Zwecke zugelassen.
Härtetest gegen multiresistente Erreger
Die Wirkung des Kisameet Clay haben Behroozian und seine Kollegen nun in Laborversuchen untersucht. Sie testeten, ob der in Wasser aufgelöste Ton gegen besonders hartnäckige, multiresistente Krankheitserreger wirkt. Zu diesen sogenannten ESKAPE-Bakterien gehören bekannte Krankenhauskeime wie der multiresistente Staphylococcus aureus (MRSA) und Acinetobacter baumannii, aber auch Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa und Enterobacter.
„Diese Keime entkommen allen verfügbaren antimikrobiellen Mitteln und verursachen vermehrt unbehandelbare Infektionen und Todesfälle bei Patienten“, erklären die Forscher. „Doch die Pipeline zur Entwicklung neuer Antibiotika ist so gut wie leer.“ Umso wichtiger sei es, auch traditionelle Heilmethoden auf ihre Wirksamkeit gegen solche Erreger zu überprüfen.
„Nur noch tote Bakterienzellen“
Und tatsächlich: Der Ton tötete selbst diese hartnäckigen Keime ab. „“So waren zum Beispiel schon nach fünf Stunden des Kontakts mit dem Kisameet Clay keine lebenden Zellen von Acinetobacter baumannii mehr nachweisbar“, berichten Behroozian und seine Kollegen. Ähnlich sah es bei den anderen ESKAPE-Erregern aus: Nach spätestens 24 Stunden waren alle Bakterien in der Lösung tot.
Weitere Tests ergaben, dass der Ton sogar gegen Biofilme von MRSA und Pseudomonas aeruginsoa effektiv wirkte. Solche mit Schleim geschützten Ansammlungen von Bakterien gelten normalerweise als besonders widerstandsfähig gegen antimikrobielle Wirkstoffe und sind daher schwer zu bekämpfen. Und noch etwas zeigte sich: Der Kisameet Clay besitzt zudem eine antifungale Wirkung – hilft also auch gegen Pilzinfektionen, so die Forscher.
Vielversprechender Kandidat
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte es sich daher lohnen, diesen Ton in weiteren Studien auf seine therapeutische Eignung hin zu untersuchen. „Nach 50 Jahren der Übernutzung und des Missbrauchs von Antibiotika könnten traditionelle Heilmittel und andere natürliche, mineralbasierte Stoffe uns neue Waffen im Kampf gegen multiresistente Erreger liefern“, sagt Koautor Julian Davies.
Der Kisameet-Ton ist dabei nach Angaben der Forscher besonders vielversprechend, weil er sich bereits als gut verträglich und frei von gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen erweisen hat. Zudem könnte er relativ gut in ein Arzneimittel umgewandelt werden: „Selbst wässrige Lösungen des Tons ohne die Mineralpartikel demonstrierten die antibakterielle Breitbandwirkung“, berichten die Forscher. „Das spricht dafür, dass die aktive Komponente gut extrahiert und in definierten Präparaten eingesetzt werden kann.“ (mBio, 2016; doi: 10.1128/mBio.01842-15)
(University of British Columbia, 28.01.2016 – NPO)