Wie genau funktioniert das? Die Nadel ist innerhalb der Kapsel mit einer zusammengedrückten Feder verbunden. Diese wird von einem Plättchen aus Zucker zunächst in Position gehalten. Schluckt ein Patient die Kapsel, sorgt die Feuchtigkeit im Magen jedoch dafür, dass sich der Zucker auflöst und die Feder herausspringt. Dadurch wird die Nadel in die Magenwand katapultiert und das Insulin direkt dort hinein injiziert – auf diese Weise kann es besser vom Körper aufgenommen werden, wie die Wissenschaftler berichten.
Inspiriert vom Schildkröten-Panzer
Der Clou: Egal wie die Kapsel im Magen landet und egal wie sehr es dort rumort, sie wird sich immer korrekt zur Magenwand hin ausrichten. Möglich ist dies dank ihres speziellen Designs, das Abramson und sein Team bei der Natur abgeschaut haben – die Kapsel ist von der in Afrika heimischen Pantherschildkröte inspiriert.
Charakteristisch für dieses Tier ist sein hoher, kuppelförmiger Panzer, der ihm einen entscheidenden Vorteil bringt: Fällt die Schildkröte auf den Rücken, kann sie sich problemlos wieder aus diesem Dilemma befreien. Denn dank der Form ihres Panzers und der Lage ihres Schwerpunkts richtet sie sich fast schon automatisch wieder auf. Dieses Prinzip übertrugen die Forscher auf ihre Entwicklung und stellten so sicher, dass die Kapsel immer an der unteren Magenwand und in der richtigen Position dort landet. „Es ist wichtig, dass die Nadel in Kontakt mit dem Gewebe ist, wenn die Injektion erfolgt“, sagt Abramson.
Erfolgreiche Tests
Wie gut die Insulin-Kapsel in der Praxis funktioniert, testeten er und seine Kollegen an Ratten und Schweinen. Im Versuch mit den Schweinen verabreichten die Forscher mit ihrer Methode erfolgreich rund 300 Mikrogramm Insulin, das nach und nach in den Blutkreislauf gelangte. Es zeigte sich, dass dabei ähnlich viel des Botenstoffs im Blut ankam wie bei einer subkutanen Injektion und dass der Glucose-Spiegel als Folge messbar zurückging. Dies funktionierte allerdings nur auf leeren Magen.
Nebenwirkungen gab es nach Angaben der Wissenschaftler keine. Nachdem die Kapsel ihren Inhalt freigegeben hatte, schien das Gehäuse aus biologisch abbaubaren Polymeren und Edelstahl-Komponenten weiter durch das Verdauungssystem zu wandern, ohne Probleme zu verursachen.
Neue Hoffnung – nicht nur für Diabetiker
Weitere Tests müssen nun zeigen, ob die Injektionen auch bei vollem Magen ihre Wirkung entfalten und wie sich diese Verabreichungsform langfristig auf die Magenwand auswirkt. Die Forscher sind jedoch optimistisch, dass ihre Methode künftig auch beim Menschen funktioniert: „Wir hoffen, dass diese neue Kapsel eines Tages Patienten hilft, die Medikamente benötigen, die bisher nur per Injektion oder Infusion verabreicht werden können“, sagt Abramsons Kollege Robert Langer.
„Insulin ist das klassische Beispiel. Aber es gibt noch viele weitere denkbare Anwendungsmöglichkeiten“, ergänzt Co-Autor Giovanni Traverso von der Harvard Medical School in Boston. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aau2277)
Quelle: AAAS/ MIT/ Brigham and Women’s Hospital
8. Februar 2019
- Daniela Albat