Früher Blick in den menschlichen Körper: Ein gut 2.200 Jahre altes chinesisches Manuskript könnte der älteste noch erhaltene Anatomieatlas der Medizingeschichte sein. Denn der aus einem Grab im Süden Chinas geborgene Text beschreibt bereits anatomische Strukturen wie Muskeln, Nerven und Blutgefäße. Allerdings tut er dies verbrämt in der Sprache der traditionellen chinesischen Medizin – was seine Interpretation bislang erschwerte.
Wie ist der menschliche Körper von innen beschaffen? Diese Frage stellten sich Ärzte schon vor mehr als tausend Jahren. Bereits im antiken Griechenland sollen die Gelehrten Herophilus und Erasistratus erste anatomische Sektionen durchgeführt und das Innere des Menschen beschrieben haben. Doch ihre Werke gingen beim Brand der Bibliothek von Alexandria verloren. Die ältesten erhaltenen Anatomieschriften stammen daher von dem römischen Arzt Galenus – zumindest in Europa.
Medizintext als Grabbeigabe
Doch auch in China studierten Mediziner schon früh die Anatomie des Menschen, wie nun der älteste noch erhaltene Anatomieatlas der Welt belegt. Es handelt dabei um drei Manuskripte, die um 168 vor Christus einem hochrangigen Adeligen in Mawangdui im Süden Chinas mit ins Grab gegeben wurden. Zahlreiche weitere Funde sprechen dafür, dass dieser Mann, Marquis Dai, medizinisch gebildet und interessiert war, darunter weitere medizinische Texte sowie Arznei-Rezepte.
Die etwa um 300 bis 200 vor Christus geschriebenen Mawangdui-Manuskripte wurden schon in den 1970er Jahren entdeckt, waren aber zunächst als eher religiös oder esoterisch eingestuft worden. Denn sie beschreiben den Verlauf von elf Meridianen, in denen die Lebensenergie, das Chi, nach dem Glauben der traditionellen Chinesischen Medizin im Körper strömen soll. Doch nun haben Vivien Shaw von der Bangor University in Wales und ihre Kollegen die chinesischen Texte noch einmal genauer analysiert.