Warum fällt es vielen Übergewichtigen so schwer, weniger zu essen? Eine mögliche Antwort liefert nun ein Blick ins Gehirn. Denn bei Übergewichtigen reagiert das Belohnungszentrum stärker auf Essensreize als bei Normalgewichtigen, wie Forscher herausfanden. Ihrer Meinung nach spricht dies dafür, dass das Essen bei Menschen mit Übergewicht durchaus suchthafte Züge aufweist. Gleichzeitig aber könnte die typische Hirnsignatur genutzt werden, um den Betroffenen gezieltere Hilfe anzubieten, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Scientific Reports“.
Ob Schokolade, Chips oder Junkfood: Vielen Menschen fällt es schwer, auf solche kalorienreiche und nicht gerade gesunde Leckereien zu verzichten. Gerade Menschen mit zu viel Pfunden auf den Rippen quälen sich oft mit Diäten, nur um hinterher wieder zuzunehmen. Erst vor kurzem ergab eine Studie, dass nur ein Bruchteil der Übergewichtigen es schafft, langfristig abzunehmen. Aber warum?
Esslust als Sucht?
Schon länger vermuten Forscher, dass das Belohnungszentrum in unserem Gehirn etwas damit zu tun haben könnte – der Schaltkreis, der auch bei einer Sucht die übersteigerte Gier nach dem Suchtmittel auslöst. So gibt es Hinweise darauf, dass das Gehirn dicker Kinder stärker auf Zucker reagiert und dadurch Süßigkeiten für sie „unwiderstehlicher“ werden.
Oren Contreras-Rodríguez vom Bellvitge Hospital in Spanien sind dieser Spur nun in einer Studie mit 81 erwachsenen übergewichtigen und Normalgewichtigen nachgegangen. Alle Teilnehmer durften zuerst an einem Buffet verschiedenste Speisen ihrer Wahl essen. Nach einer kurzen Pause bekamen sie Fotos der Speisen gezeigt, während ihre Hirnaktivität mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) aufgezeichnet wurde. Die Forscher werteten dabei besonders aus, welche Hirnareale funktionell miteinander verbunden waren.
Geänderte Verknüpfungen
Das Ergebnis: Das Gehirn der übergewichtigen Probanden reagierte anders auf die Essensbilder als das der normalgewichtigen. Bei ihnen war die Verbindung zwischen dem für Wahrnehmungen zuständigen Bereich der Hirnrinde und dem Nucleus caudatus besonders aktiv, wie die Forscher berichten. Ähnliches zeige sich auch bei Süchtigen, wenn sie ihr Suchtmittel zu7 sehen bekommen.
Wie die Befragung der Probanden ergab, war ihre Lust auf kalorienreiche Nahrung tatsächlich umso stärker, je ausgeprägter bei ihnen diese Verknüpfung war. Der Zusammenhang war sogar stark genug, dass die Wissenschaftler anhand der Stärke dieser Verknüpfung zu elf Prozent vorhersagen konnten, wer drei Monate später an Gewicht zunehmen würde und wer nicht.
„Nützlicher Biomarker“
Wie Contreras-Rodríguez betont, ist allerdings nicht klar, was hierbei Ursache und was Wirkung ist. „Bisher können wir nur einen klaren Zusammenhang feststellen“, sagt er. Dennoch sieht er in den Ergebnissen einen deutlichen Hinweis darauf, dass bei Übergewichtigen eine zumindest suchtähnliche Haltung zum Essen vorliegen könnte.
„Unsere Studie stützt die Idee, dass die Belohnungsreaktion auf Essensreize bei Übergewichtigen mit neuronalen Veränderungen verbunden ist, die denen bei der Drogensucht ähneln“, konstatiert Contreras-Rodríguez. Damit aber könnten diese typischen Reaktionen seiner Ansicht nach als Biomarker dienen, um Übergewichtigen künftig vielleicht gezielter gegen den Essensdrang helfen zu können. (28th ECNP Congress)
(European College of Neuropsychopharmacology (ECNP), 31.08.2015 – NPO)