Psychologie

Kau den Ohrwurm weg!

Kaugummi hilft gegen die Endlosschleife im Kopf

Kaugummi hilft gegen die Endlosschleife im Kopf © xavigm/iStock.com

Ohrwürmer können einen tagelang begleiten. Wie man sie loswerden kann, haben jetzt britische Wissenschaftler herausgefunden: mit Kaugummi. Der Sinn dahinter: Die Kaubewegung suggeriert dem Gehirn, wir würden sprechen und unterdrückt dadurch die unerwünschte Erinnerung an die Musik. Laut den Forschern könnte diese Methode auch gegen negative Gedanken funktionieren.

Das kennt fast Jeder: Man hört ein Lied im Radio oder unterwegs – und schon wird man es nicht wieder los. Wie eine Endlosschleife geht einem die Melodie im Kopf herum. Das kann angenehm sein, wenn einem der Song gefällt. Doch manchmal verbringt man auch den ganzen Tag mit einer Melodie, obwohl sie einen nervt. Was aber ein Musikstück zum Ohrwurm macht, ist bisher nur in Teilen geklärt.

Unfreiwilliges musikalisches Gedächtnis

Für den „Ohrwurm-Faktor“ spielt es demnach eine Rolle, ob wir das Musikstück schon vorher kennen. Der Teil unseres Hirns, der akustische Reize wahrnimmt und verarbeitet – der auditive Cortex – wird beim Hören eines Songs aktiviert. Wenn wir dann der Melodie oder auch nur einem Fragment davon wieder begegnen, vervollständigt unser Gehirn sie automatisch – und das leider immer wieder.

Ohrwürmer könnten demnach „eine Art unfreiwilliges musikalisches Gedächtnis sein“ erklärt Philip Beaman von der University of Reading. Er und seine Kollegen glauben, nun eine Lösung für das Ohrwurm-Problem gefunden zu haben: Kaugummi. Das klingt erstmal absurd, hat aber einen neurobiologischen Hintergrund, wie die Forscher erklären.

Kauen hemmt akustisches Gedächtnis

Denn das Kauen von Kaugummi ist in seinen Bewegungen dem lautlosen Vorsichhinmurmeln oder dem Mitsprechen beim Lesen sehr ähnlich. Von diesen sogenannte Subvokalisationen ist bekannt, dass sie das akustische Kurzzeitgedächtnis abschwächen können – die Signale des „inneren Sprechens“ blockieren sozusagen die Erinnerung an andere akustische Reize. Die These der Forscher: Weil bei den Ohrwürmern auch das akustische Gedächtnis eine Rolle spielt, könnte das Kaugummikauen auch gegen Ohrwürmer helfen.

Um diese Theorie auf die Probe zu stellen, führten die Wissenschaftler eine Reihe von Experimenten durch. Dafür spielten sie 98 Testpersonen die einprägsamen Lieder „Play Hard“ von David Guetta und „Payphone“ von Maroon 5 vor. Anschließend sollten die Probanden drei Minuten lang versuchen, nicht an die Musikstücke zu denken. Dabei kaute eine Gruppe Kaugummi, eine andere trommelte mit den Fingern und eine dritte tat nichts. Jedes Mal, wenn die Testpersonen trotzdem an die zuvor gehörte Melodie dachten oder sie in ihrem Kopf hörten, sollten sie eine Taste auf dem Computerkeyboard drücken.

Ein Drittel weniger Ohrwürmer

Das Ergebnis: Die Gruppe, die während des Tests Kaugummi kaute, musste wesentlich seltener an die Songs denken oder hörte sie in ihrem Kopf als die restlichen Versuchspersonen. Auch das Fingertrommeln half bei der Unterdrückung der Ohrwürmer, doch bei weitem nicht so gut wie das Kaugummikauen, wie die Forscher berichten. In verschiedenen Testgruppen reduzierte dieses das innere Mitsingen um etwa 30 Prozent.

„Die Ergebnisse demonstrieren, dass eine Kaubewegung, in diesem Falle das Kaugummikauen, das unwillkürliche Hören von Ohrwürmern unterdrückt“, konstatieren die Forscher. Dieser Effekt unterscheide sich von vorhergehenden Studien, bei denen allgemein ablenkende Tätigkeiten eine solche Unterdrückung eher hemmten. „Auf praktischer Ebene können wir daher das Kaugummikauen empfehlen, um unerwünschte musikalische Erinnerungen loszuwerden“, so Beaman und seine Kollegen.

Den Wissenschaftlern zufolge können möglicherweise auch andere störende Gedanken mithilfe dieser Technik vergessen oder in den Hintergrund gerückt werden. Damit ließen sich – weitere Forschungen vorausgesetzt – die Symptome von Zwangsstörungen abmildern. „Die eigene innere Stimme durch eine komplexere Version des Kaugummi-Ansatzes zu lenken, könnte auch auf anderen Gebieten funktionieren“, so Beaman. (The Quarterly Journal of Experimental Psychology; doi: 10.1080/17470218.2015.1034142)

(28 April 2015 Taylor & Francis, 29.04.2015 – RPA)

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