Medizin

Kein Grund für „Steinzeit“-Diäten ohne Getreide

Vollkorngetreide schadet nicht der Gesundheit, sondern liefert wertvolle Nährstoffe

Zurück zur Steinzeit-Diät? Auf dem Speiseplan der frühen Menschen stand nur wenig Getreide. © Randii Oliver / gemeinfrei

Zurück in die Steinzeit? Nicht bei der Ernährung: Getreide ist viel besser als sein Ruf – solange es Vollkorngetreide ist. Englische Wissenschaftler bezeichnen die angeblich gesündere kohlenhydrat-arme „Steinzeitdiät“ als Mythos: Menschen seien mittlerweile an den Getreideverzehr angepasst. Low-Carb-Diäten ohne Getreide seien nicht erfolgreicher als eine generell ausgewogene Ernährung. Die Forscher sehen daher keinen Grund, auf gesunde Inhaltsstoffe wie Vitamine, Ballaststoffe und Mineralien aus Vollkorngetreide zu verzichten.

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Frühe Menschen lebten von der Jagd und von gesammelten Früchten und Gemüse – Getreide stand nur selten auf dem Speiseplan. Ein wachsender Teil der heutigen Bevölkerung macht darum Getreideprodukte, insbesondere Weizen, für zunehmende Probleme wie Übergewicht und Magen-Darm-Krankheiten verantwortlich, und plädiert für einen Verzicht darauf. Weizen- und gluten-freie Nahrungsmittel sind immer beliebter. Schadet also Weizen oder gar Getreide generell der Gesundheit? Sollten wir zurückkehren zu einer „ursprünglichen“ Ernährungsweise wie zu einer Zeit, als der Getreideanbau dem Menschen noch fremd war?

Längst an Getreideverzehr angepasst

Diese Sichtweise haben Wissenschaftler um Rob Lillywhite von der Universität im englischen Warwick zum größten Teil als Mythos entlarvt: „Abgesehen von den zwei Prozent der Bevölkerung, die an Zöliakie oder anderen Unverträglichkeiten gegenüber Weizen leiden, gibt es überwältigende Beweise für einen deutlichen Nutzen einer auf Vollkorn basierenden Ernährung für die Gesundheit“, sagt Lillywhite.

Das Argument, Menschen seien nicht für den Verzehr von Getreide gemacht, entkräften die Wissenschaftler. Demnach haben sich Menschen „in ihrer jeweiligen Umwelt entwickelt und an die verfügbare Nahrung angepasst.“ Zeugnis dieser hohen Anpassungsfähigkeit sei der Erfolg des Homo sapiens, so Lillywhite. Eine große Mehrheit der Menschen verzehrt heute weltweit große Mengen von Getreide- und Milchprodukten und Unverträglichkeiten sind eindeutig eher die Ausnahme als die Regel.

Low-Carb ist nicht besser als andere Diäten auch

Die verbreiteten weizen- oder kohlehydratfreien Diäten kommen in der Studie schlecht weg: „Einige werden kurzfristig das Körpergewicht senken, aber dasselbe Ergebnis ließe sich langfristig erzielen, indem man weniger isst, aber dafür relativ unverarbeitet Nahrung höherer Qualität isst“, so Lillywhite. Die neu gewachsene Industrie im gesamten „frei von“-Bereich dagegen bewirke, dass eine getreidearme und kohlenhydratfreie Ernährung die Verbraucher mehr kostet, ihnen aber weniger liefert.

Den wissenschaftlich belegten Nutzen solcher Diäten bezeichnet Lillywhite dagegen als „überraschend dünn.“ Erst vor kurzem hatte eine andere Forschergruppe Ähnliches festgestellt: In ihrer Studie hatten Probanden bei nahezu allen Diätformen den gleichen Erfolg – egal ob Low-Carb, Low-Fat oder Weight Watchers und Co.

Vollkorn gegen Fehl-Ernährung

Die Forscher plädieren deshalb für die Verwendung wenig verarbeitetem Getreide, das noch möglichst alle Inhaltsstoffe des vollen Korns liefert. Dazu gehören neben den Kohlenhydraten vor allem Ballaststoffe, Mineralien, Vitamine, Antioxidantien. Die Art des Getreides spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, wie ein Vergleich von Weizen, Hafer und Reis zeigt. Weizen enthält relativ gesehen am meisten Protein, Hafer am meisten Fett und Reis die meisten Kohlenhydrate. Bei den restlichen Inhaltsstoffen ähneln sich alle drei Getreidearten.

Gesundheitliche Probleme durch falsche Ernährung sind zum großen Teil ein Ergebnis der Wohlstandsgesellschaft: Das meiste Essen ist in hohem Maße vorverarbeitet. Besonders beim Getreide entfallen dadurch die wertvollen Bestandteile, und außer leeren Kohlenhydraten bleibt nichts übrig.

(University of Warwick, 24.11.2014 – AKR)

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