Psychologie

Kopfkino: Mentale Bilder verstärken Emotionen

Schauergeschichten machen Menschen ohne bildliche Vorstellung keine Angst

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Gefühle wie Angst werden stark von den Bildern beeinflusst, die unwillkürlich in unserem Kopf entstehen. © CasarsaGuru/ iStock.com

Visualisierte Angst: Beim Lesen oder Hören entstehen in unserem Kopf ständig Bilder. Jetzt belegt eine Studie, wie wichtig dieses Kopfkino für unsere Emotionen ist. Denn Menschen, die keine mentalen Bilder erzeugen können, empfinden selbst bei Horrorgeschichten kaum Angst, wie ein Experiment zeigt. Furchteinflößende Bilder hingegen lösen auch bei ihnen Angstreaktionen aus. Dies bestätigt erstmals direkt, welche Rolle mentale Bilder für das emotionale Denken spielen.

Wenn wir uns etwas vorstellen – seien es zukünftige oder vergangene Ereignisse oder fiktive Szenarien – haben die meisten von uns unweigerlich Bilder und Emotionen dazu im Kopf. Schon lange vermuten Forscher, dass die mentalen Bilder eine wichtige Rolle dabei spielen, Gefühle zu transportieren und zu verstärken. Auch viele psychotherapeutische Ansätze nutzen Suggestion.

Die meisten Studien zur Verbindung von bildlicher Vorstellungskraft und Emotionen beruhen allerdings auf subjektiven Berichten von Personen, die versuchen sollten, sich Situationen mal bildlich auszumalen, mal ohne Bilder zu denken. „Bei den meisten von uns sind aber bildliche Simulationen im Denken unwillkürlich und können nicht auf Stichwort ausgeschaltet werden“, geben Marcus Wicken und Kollegen von der University of New South Wales in Sydney zu bedenken.

Probanden ohne Bilder im Kopf

Das Team hat daher einen neuen Ansatz genutzt: Als Probanden wählten die Forscher 22 Menschen aus, die an Aphantasie leiden, einem psychologischen Phänomen, bei dem die Betroffenen keine Bilder vor ihrem inneren Auge visualisieren können. Als Vergleichsgruppe dienten 24 Psychologiestudenten mit normaler bildlicher Vorstellungskraft.

Die Forscher ließen die Studienteilnehmer kurze fiktive Szenarien lesen, in denen in anschaulicher Sprache angstauslösende Situationen geschildert wurden. Währenddessen maßen sie die elektrische Leitfähigkeit ihrer Haut, ein Maß für Angstreaktionen. Emotionale Aufregung führt zu erhöhter Schweißsekretion, was die Hautleitfähigkeit kurzzeitig ansteigen lässt.

Beängstigende Vorstellungskraft

Wie erwartet bekamen die Probanden der Kontrollgruppe beim Lesen der Szenarien schweißfeuchte Hände, zeigten also eine signifikante Angstreaktion. Die Aphantastiker hingegen wiesen keinerlei emotionale Reaktionen auf.

„Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit bestehenden Hinweisen auf die theoretische Rolle von Bildern als emotionaler Verstärker“, schreiben Wicken und Kollegen. „Da die Aphantasie die Untersuchung von emotionalen Gedanken ohne visuelle Bilder ermöglicht, liefern diese Ergebnisse einen starken Beweis dafür.“

Emotionale Reaktionen nicht allgemein gedämpft

Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse tatsächlich mit den mentalen Bildern zusammenhängen und nicht etwa damit, dass die Probanden mit Aphantasie generell schwächere emotionale Reaktionen zeigen, führten die Forscher ein zweites Experiment durch. Statt verbal beschriebenen Situationen präsentierten sie den Testpersonen dieses Mal angsteinflößende Bilder, beispielsweise das Foto einer Schlange mit drohend aufgerissenem Maul oder eines Kadavers.

„Beim Betrachten der beängstigenden Bilder wiesen beide Gruppen eine deutlich erhöhte Hautleitfähigkeit auf“, berichten die Forscher. „Diese Daten zeigen, dass das Fehlen einer physiologischen Reaktion der aphantasischen Personen bei der Vorstellung von Szenarien wahrscheinlich tatsächlich durch ihre Unfähigkeit zur Visualisierung bedingt ist und nicht durch eine allgemeine emotionale oder physiologische Dämpfung.“

Kopfkino bei psychischen Erkrankungen

Die Ergebnisse unterstreichen nicht nur die Rolle mentaler Bilder für Emotionen, sondern könnten auch Implikationen für die Erforschung und Behandlung psychischer Krankheiten haben. Bei vielen psychischen Erkrankungen, darunter Depressionen, Angststörungen und Schizophrenie, verstärken mentale Bilder eine negative Wahrnehmung der Welt. Andererseits hat sich gezeigt, dass positive mentale Bilder, wie sie auch in Psychotherapien genutzt werden, Optimismus fördern und so Depressionen entgegenwirken.

Zukünftige Studien könnten zeigen, inwieweit Menschen mit Aphantasie stärker oder weniger anfällig für bestimmte Erkrankungen sind. Die von den Forschern durchgeführten Tests könnten zudem dazu beitragen, Aphantasie zuverlässiger zu diagnostizieren.

Eine Einschränkung der aktuellen Studie ist, dass sie von allen Emotionen nur Angst untersucht hat. „Zukünftige Studien sollten untersuchen, ob die gleiche reduzierte physiologische Reaktion auch bei der Vorstellung anderer emotionaler Szenarien und persönlich relevanterer Inhalte auftritt, wie zum Beispiel bei der Vorstellung vergangener belastender Erfahrungen“, schreiben die Forscher. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2021; doi: 10.1098/rspb.2021.0267)

Quelle: Royal Society

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