Gliome sind die häufigsten Hirntumore bei Erwachsen und können nur selten erfolgreich behandelt werden. Entgegen der bisherigen Vermutung sind jedoch Herpes-Viren nicht an der Entstehung dieser bösartigen Tumorart beteiligt, wie Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums nun nachweisen konnten.
Bereits seit einigen Jahren werden Viren mit der Entstehung von Hirntumoren in Ver¬bindung gebracht – eine Annahme, die unter Wissenschaftlern allerdings umstritten ist. Unter Verdacht stehen auch die weit verbreiteten Herpes-Viren. Zu den Zellen, die von Herpes-Viren infiziert werden, gehören unter anderen Glia-Zellen, jene Zellen des Gehirns, aus denen sich Gliome entwickeln.
Immunologischer Nachweis negativ
Um herauszufinden, ob Zytomegalie-Viren, die zur Gruppe der Herpes-Viren gehören, an der Entwicklung von Hirntumoren beteiligt sind, führte Sabine Poltermann eine virologisch- epidemiologische Studie durch. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Promotionsarbeit entstand in einer Zusam¬menarbeit der Arbeitsgruppe Umweltepidemiologie und der Abteilung Tumorvirologie. Poltermann analysierte Gewebeproben aus Hirntumoren. Dabei wählten die Forscher unterschiedliche methodische Vorgehensweisen, um mögliche Fehlerquellen auszuschließen. Doch weder Analysen mithilfe der PCR, einem klassischen molekularbiolo¬gischem Werkzeug, noch der immunologische Nachweis von Viruspartikeln im Tumorge¬webe lieferten Hinweise auf eine Zytomegalie-Virus-Infektion: Keiner der Tumoren enthielt den Erreger.
Dieses Ergebnis widersprach jedoch zunächst dem Bericht einer amerikanischen Arbeitsgruppe, die Zytomegalie-Viren in einer Vielzahl von malignen Hirntumoren nachgewiesen hatte. Um diesen Widerspruch aufzuklären, gingen die Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums der Frage nach, ob eine Verunreinigung der Tumorproben mit Virus-infizierten Blutzellen zu einer Fehlinterpretation geführt haben könnte. Doch auch in den Blutproben der Patienten war kein Virus nachweisbar.
Freispruch auch für weitere Herpes-Erreger
In einem weiteren Ansatz wurde der Zusammenhang zwischen bereits zurückliegenden Virus-Infektionen und dem Risiko, an einem Hirntumor zu erkranken, untersucht. Überstan¬dene Infektionen lassen sich mithilfe von Antikörpern nachweisen, die vom Immunsystem zur Abwehr von Krankheitserregern gebildet werden und noch Jahre später im Blut zirkulieren. Da Zytomegalie-Viren nicht die einzigen Herpes-Viren sind, die mit Gehirntumoren in Verbin¬dung gebracht werden, schlossen die Wissenschaftler drei weitere Vertreter dieser Gruppe (Herpes simplex, Varizella-Zoster und Epstein-Barr) in ihre Analyse mit ein.
Die Blutproben zahlreicher Patienten enthielten zwar Antikörper gegen Herpes-Viren als Beweis für eine zu¬rückliegende Infektion. Die Häufigkeit einer Herpes-Virus-Infektion lag bei den Hirntumor¬patienten jedoch nicht höher als beim Durchschnitt der Bevölkerung. Eine Beteiligung von Herpes-Viren an der Entstehung von primären Hirntumoren ist demzu¬folge als sehr unwahrscheinlich anzusehen. Zu diesem Ergebnis kamen auch zwei weitere Arbeitsgruppen in unabhängig vom Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführten Studien.
(idw – Deutsches Krebsforschungszentrum, 28.06.2006 – AHE)