Geowissen

Krebs: Mehr Mutationen in festem Gewebe

Dichte Strukturen erschweren die körpereigenen Reparaturmechanismen

Die Enge macht's: In festem Gewebe mutieren Krebszellen schneller © iStock.com/ Vitanovski

Die Enge macht’s: Forscher haben herausgefunden, warum Krebszellen in Knochen oder Lunge schneller mutieren als beispielsweise im Gehirn: In steiferem Gewebe werden die wuchernden Zellen stärker eingequetscht und es mehren sich dadurch Zellstress und DNA-Schäden. Als Folge verändern sie sich schneller. Zudem funktionieren Reparaturmechanismen in diesen Geweben weniger gut.

Krebs entsteht, wenn sich körpereigene Zellen unplanmäßig und übermäßig teilen. Dadurch entwickeln sich Tumore, anormale Wucherungen des Gewebes. Die Krebszellen verändern sich darin meist sehr schnell – sie haben eine hohe Mutationsrate. Das ermöglicht ihnen, sich an immer neue Bedingungen anzupassen, Abwehrmechanismen des Körpers zu entgehen und sich unerkannt fortzubewegen.

Wie schnell sich Tumore verändern, hängt dabei offensichtlich auch von dem Gewebe ab, in dem sie wachsen. In weichen Geweben wie dem Rückenmark oder dem Gehirn scheinen Mutationen weniger schnell zu entstehen als in festeren, starreren Strukturen wie Knochen oder Lungen, wie Wissenschaftler um Jerome Irianto von der University of Pennsylvania in Philadelphia berichten.

Das Team hat die Mutationsraten unterschiedlicher Krebsarten in verschiedenen Organen untersucht und festgestellt: In den starreren Geweben sind diese im Schnitt 100 Mal höher als in den weichen. Doch warum ist das so?

Migration durch enge Poren

Um das herauszufinden, haben die Forscher Krebszelllinien aus Lungen- und Knochengewebe im Labor untersucht. „Unsere Hypothese war, dass festes Gewebe mit seiner dichteren Matrix und den kleineren Verengungen mehr schädliche Verformungen des Zellkerns verursacht, wenn die Krebszellen in das Gewebe einwandern“, sagt Irianto.

Für ihre Untersuchung ließen die Wissenschaftler die Krebszellen durch dünne Plastikfilter mit drei Mikrometer großen Poren wandern. Der Weg für die Zellen war damit nur so groß wie ein Fünftel des Durchmessers ihres Zellkerns. Während sich die Krebszellen im Laufe von 24 Stunden durch diese engen Strukturen bewegten, verformten sie sich und entwickelten immer mehr DNA-Schäden. Bei acht Mikrometer großen Poren passierte das dagegen nicht.

Reparaturmechanismen behindert

In einem weiteren Versuch testeten die Forscher, ob sich die unterschiedlichen Gewebeeigenschaften auf ein Reparaturprotein auswirken, das die Aufgabe hat, solche Schäden im Erbgut zu beheben. Und tatsächlich: Je kompakter die Strukturen, desto schlechter konnte sich auch das Protein bewegen.

„Wir glauben, dass die Porosität in solchen Geweben reduziert ist, und das Protein aus diesem Grund weniger mobil ist. Es kann der DNA schlechter folgen“, schreiben die Wissenschaftler. Das sei ähnlich wie bei einem locker gewickelten Wollknäuel, dass seine Luftigkeit verliert, wenn man es in einen engen Strohhalm quetsche.

Zum einen erleben Krebszellen in festen Geweben also mehr Stress bei ihren Wanderungsbewegungen. Zum anderen greifen Reparaturmechanismen dort weniger gut. Insgesamt führt das zu höheren Mutationsraten. Irianto und seine Kollegen wollen nun untersuchen, ob sich diese Einschränkungen auch negativ auf die genetische Stabilität des gesamten Organismus auswirken. (Biophysical Society 60th Annual Meeting, 2016; Abstract)

(Biophysical Society, 29.02.2016 – DAL)

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