Medizin

Krebstherapie: Am Morgen wirksamer?

Tageszeit beeinflusst Tumorwachstum und Wirkung von Immuntherapie gegen Krebs

Immunzellen
Die Aktivität der dendritischen Zellen (rosa) und T-Zellen (blau) unseres Immunsystems verändert sich mit der Tageszeit. Das hat auch Auswirkungen auf ihren Einsatz gegen Krebs. © Design Cells/ Getty images

Auf die Tageszeit kommt es an: Unser Immunsystem ist ein Frühaufsteher – und das beeinflusst offenbar auch das Wachstum von Krebszellen und die Wirksamkeit von Krebs-Immuntherapien, wie eine Studie nahelegt. Demnach wachsen Tumore nachmittags schneller, weil dann die T-Zellen und dendritischen Zellen unserer Abwehr weniger aktiv sind. Immuntherapien wirken dagegen am besten, wenn sie morgens verabreicht werden, wie sich bei einer Krebsimpfung gegen Melanome zeigte.

Viele unsere Körperfunktionen werden von der inneren Uhr gesteuert und schwanken daher im Tagesverlauf – auch die Aktivität unseres Immunsystems. Dadurch heilen Wunden abends und nachts langsamer und wichtige Abwehrzellen sind frühmorgens aktiver als abends, wie Studien belegen. Betroffen davon sind unter anderem die dendritischen Zellen, die T-Zellen und Antikörper-produzierende Zellen über die Merkmale eingedrungener Erreger informieren.

Tageszeitliche Schwankungen beim Tumorwachstum

Ob diese tageszeitlichen Schwankungen der Immunaktivität auch das Tumorwachstum und die Wirkung von Krebstherapien beeinflussen, haben nun Chen Wang von der Universität Genf und seine Kollegen untersucht. Dafür injizierten sie Mäusen zu sechs verschiedenen Tageszeiten Zellen des Schwarzen Hautkrebses und untersuchten, ob diese weiterwuchsen und wie stark. Weil Mäuse nachtaktiv sind, ist ihr Immunsystem am Nachmittag am aktivsten, gegen Ende ihrer Ruhephase.

„Obwohl wir nur die Zeit der Injektion variierten, waren wir überrascht von den deutlich unterschiedlichen Ergebnissen: Tumore, die am Nachmittag implantiert wurden, wuchsen kaum, während die nachts eingepflanzten weit schneller wuchsen – passend zum Aktivitätsrhythmus der murinen Immunabwehr“, berichtet Wang. Übertragen auf uns tagaktive Menschen wäre demnach das Tumorwachstum frühmorgens schwächer als am Abend.

Innere Uhr der dendritischen Zellen entscheidend

Nähere Analysen enthüllten, dass vor allem die Aktivität von T-Zellen und dendritischen Zellen für diese tageszeitlichen Effekte verantwortlich sind: Diese Abwehrzellen wirken dem Krebswachstum entgegen, indem sie entartete Zellen erkennen und abtöten. Wie das Team feststellte, zeigen die dendritischen Zellen deutlich zeitabhängige Muster in ihrer Genaktivität, was wiederum beeinflusst, wie stark sie die zytotoxischen T-Killerzellen aktivieren und deren Vermehrung anregen.

Wurden die Uhrengene dieser Immunzellen im Experiment deaktiviert, blieb die Antitumor-Aktivität unabhängig von der Tageszeit gleich, wie Wang und seine Kollegen berichten. Als Folge zeigten auch die implantierten Krebstumore keine zeitlichen Wachstumsschwankungen mehr ähnlich wie Mäuse komplett ohne Immunsystem. „Die Tumore wuchsen unabhängig von der Tageszeit, was bestätigt, dass ihr Wachstum tatsächlich vom Aktivitätsrhythmus des Immunsystems beeinflusst wird“, erklärt Wang.

Krebsimpfung wirkt morgens besser

Doch welche Konsequenzen hat dies für Immuntherapien gegen Krebs? Diese Therapieformen nutzen verschiedenen Methoden, um die körpereigene Immunabwehr und speziell die T-Zellen effektiver auf die Krebszellen anzusetzen. Daher liegt nahe, dass die tageszeitlichen Schwankungen der Immunaktivität auch diese Therapien beeinflussen kann. Ob das der Fall ist, testeten die Forschenden mit einem therapeutischen Impfstoff gegen Melanom. Dieser „zeigt“ der Immunabwehr spezifische Erkennungsmerkmale der Hautkrebszellen und macht sie so für die Abwehr angreifbarer.

Es zeigte sich: Wurde dieser Krebsimpfstoff Mäusen mit Melanomen auf dem Höhepunkt ihrer Immunaktivität verabreicht, unterdrückte er das Tumorwachstum deutlich – und weit stärker als während der Ruhephase des Immunsystems. Ähnlich ist es offenbar bei uns Menschen, wie eine Auswertung von Patientendaten aus einer klinischen Studie eines solchen Krebsimpfstoffs ergab: Probanden, die den Impfstoff morgens erhalten hatten, sprachen besser auf die Therapie an als solche, die nachmittags behandelt worden waren.

Relevant auch für andere Tumore und Krebstherapien

„Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass es wichtig ist, bei der Immuntherapie gegen Krebs auf die Tageszeit zu achten“, konstatieren Wang und seine Kollegen. Demnach könnten solchen Therapien besser wirken, wenn sie frühmorgens verabreicht werden, wenn das Immunsystem am aktivsten ist. „Weiter gedacht könnten die Tageszeit aber auch für andere Therapien bedeutsam sein, die eine Aktivierung des Immunsystems beinhalten“, so das Team.

Bisher haben die Wissenschaftler das tageszeitabhängige Tumorwachstum vorwiegend am Beispiel der Melanome untersucht. „Erste ergänzende Daten legen aber nahe, dass auch andere Krebsarten durch den Rhythmus des Immunsystems beeinflusst werden“, so das Team. Sollte sich dies bestätigen, müsste dies in der Krebstherapie stärker als bisher berücksichtigt werden. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-05605-0)

Quelle: Universität Genf

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