Gute Nachrichten für Sportmuffel: Schon wenige Minuten intensiver, alltäglicher Aktivität können das Sterberisiko um bis zu 49 Prozent verringern, wie Wissenschaftler jetzt herausgefunden haben. Demnach muss Sport nicht im Rahmen von Fitnessstudio und strukturiertem Training stattfinden, um positive Effekte auf die Gesundheit zu haben. Auch alltägliche Aktivitäten wie schnell zur Bushaltestelle gehen, „energische“ Hausarbeit oder Spielen mit den Kindern haben einen vergleichbaren Effekt, wenn sie nur drei bis viermal täglich für je eine Minute ausgeführt werden.
Bewegung ist gut für unseren Körper. Sie hilft bei Übergewicht und Depressionen, hält das Gehirn fit und kann sogar unser Sterberisiko verringern. Dafür muss es nicht immer das Fitnessstudio oder die Joggingrunde sein: Auch die Bewegung im Alltag und selbst das regelmäßige, kurze Unterbrechen des dauernden Sitzens hat schon messbar positive Effekte auf die Gesundheit, wie Studien nahelegen. Umgekehrt scheint langes, ununterbrochenes Sitzen selbst dann zu schaden, wenn wir anschließend zum Ausgleich Sport machen. Was aber heißt das für unseren Alltag? Wie viel Bewegung brauchen wir?
Sportmuffel im Fokus
Forschende um Emmanuel Stamatakis von der University of Sydney haben nun ermittelt, wie sich alltägliche Aktivitäten im Vergleich zu strukturiertem Training auf das Sterberisiko auswirken. Dafür analysierten sie Daten von Sportlern und Nicht-Sportlern aus der UK Biobank. Diese biomedizinische Datenbank liefert gesundheitliche Informationen zu einer halben Million registrierter Briten.
Aus dieser Datenbank filterten Stamatakis und seine Kollegen circa 25.000 Nicht-Sportler und 62.000 Sportler heraus. Die Nicht-Sportler trugen in ihrem Alltag einen Fitnesstracker bei sich, dessen Daten die Wissenschaftler auswerten konnten. Sie suchten dabei nach bestimmten Aktivitätsmustern, die sie „VILPA“ („vigorous intermittent lifestyle physical activity“) tauften. Dies sind ein- bis zweiminütige Phasen intensiver körperlicher Betätigung, die im normalen Alltag vorkommen, also zum Beispiel schnellen Schrittes zur Bushaltestelle gehen, den Haushalt im Eiltempo erledigen oder mit den Kindern spielen.
Um herauszufinden, welche Auswirkung VILPA-Einheiten auf das Sterberisiko der Nicht-Sportler haben, behielten sie die zu Studienbeginn im Schnitt 61,8 Jahre alten Teilnehmer fast sieben Jahre lang im Blick. Sie erfassten, wie viele Probanden in diesem Zeitraum starben und woran. Dabei versuchten Stamatakis und Kollegen, andere Ursachen für einen verfrühten Tod, zum Beispiel einen von Anfang an schlechteren Gesundheitszustand, möglichst herauszurechnen.
Alltag kann wie hochintensives Training wirken
Das Ergebnis: Neun von zehn Nicht-Sportlern absolvierten in ihrem Alltag nebenbei und wahrscheinlich unbewusst VILPA-Einheiten. Das senkte ihr Sterberisiko im Vergleich zu Probanden ohne VILPAs enorm, wie die Forschenden herausfanden. Demnach verringerten bereits drei bis vier einminütige VILPA-Bewegungen pro Tag das Sterberisiko um 38 bis 40 Prozent. Ein ähnlicher Rückgang war auch bei krebsbedingter Sterblichkeit zu beobachten. Das Risiko, durch eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, wurde durch VILPAs sogar um 48 bis 49 Prozent gesenkt, wie die Forschenden berichten.
Damit stehen die Nicht-Sportler, die sich in ihrem Alltag nur beiläufig körperlich betätigen, den Sportlern nicht nach. Das Sterberisiko beider Gruppen war vergleichbar, erklären Stamatakis und seine Kollegen. „Unsere Studie zeigt, dass ähnliche Vorteile wie beim hochintensiven Intervalltraining erzielt werden können, wenn man die Intensität der beiläufigen Aktivitäten des täglichen Lebens erhöht“, sagt Stamatakis. „Dafür bedarf es keines zeitlichen Engagements, keiner Vorbereitung, keiner Vereinsmitgliedschaft und keiner besonderen Fähigkeiten. Es geht einfach darum, das Tempo beim Gehen zu erhöhen oder die Hausarbeit mit etwas mehr Energie zu erledigen.“
Je mehr, desto besser
Die Forschenden fanden außerdem heraus, dass sich das Sterberisiko durch zusätzliche VILPA-Einheiten am Tag weiter verringern lässt. Demnach senkten elf VILPAs am Tag das Sterberisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen um ganze 65 Prozent und das Risiko für einen krebsbedingten verfrühten Tod um 49 Prozent. (Nature Medicine, 2022; doi: 10.1038/s41591-022-02100-x)
Quelle: University of Sydney