Medizin

Lässt sich „Long Covid“ vorhersagen?

Zahl der Symptome in der Akutphase könnte anhaltende Spätfolgen ankündigen

Covid
Die Zahl der Symptome in der Frühphase der Infektion kann ein Hinweis darauf sein, ob später ein Long Covid droht. © Tomas Ragina/ iStock.com

Wann drohen Spätfolgen einer Coronavirus-Infektion? Diese Frage hat nun ein Forscherteam näher untersucht. Demnach steigt die Wahrscheinlichkeit für Long Covid, wenn bei Erkrankten schon in der ersten Akutphase mehr als fünf Symptome auftreten. Außerdem treten Spätfolgen wie Erschöpfung, Gedächtnisprobleme oder Schmerzen bei Frauen häufiger auf als bei Männern und werden mit dem Alter wahrscheinlicher.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 greift unseren Körper nicht nur während der akuten Infektion an – Covid-19 hinterlässt bei vielen Patienten auch langanhaltende Spätfolgen. Nach schweren Verläufen sind dies oft Lungenschäden, die noch monatelang für Atemprobleme sorgen. Es gibt aber auch Menschen, die akut nur mild erkrankt sind, dann aber nach einigen Wochen der Pause plötzlich neurologische Ausfälle, Herzprobleme oder eine chronische Erschöpfung bekommen.

App hilft bei der Langzeitstudie

„Aber bisher ist nur wenig darüber bekannt, wie oft diese Spätfolgen auftreten, welche Risikofaktoren es gibt und ob es möglich ist, ein Long Covid schon zu Beginn der Erkrankung vorherzusagen“, erklären Carole Sudre vom King’s College London und ihre Kollegen. Deshalb haben sie bei 4.182 mit SARS-CoV-2 infizierten Menschen aus Großbritannien, den USA und Schweden Symptome und Verlauf genauer nachvollzogen.

Möglich wurde dies, weil diese Patienten von Beginn ihrer Infektion an ihr Befinden regelmäßig in einer speziellen App protokolliert hatten. Das Forschungsteam konnte so den Gesundheitszustand der Teilnehmenden über mehr als drei Monate hinweg mitverfolgen. Es zeigte sich: 558 Patienten – 13,3 Prozent – litten auch einen Monat nach Erkrankungsbeginn noch an Symptomen, nach acht Wochen waren es noch 189 Patienten. 95 Patienten – 2,3 Prozent – hatten auch nach einem Vierteljahr noch mit Spätfolgen der Covid-19-Erkrankung zu kämpfen.

Risiko abhängig von Alter und Geschlecht

Zwei Trends waren deutlich ablesbar, wie das Team berichtet: Die Wahrscheinlichkeit für ein Long Covid steigt mit dem Alter und Frauen sind überproportional häufig betroffen. Konkret litten Patienten bis 49 Jahre zu rund 9,9 Prozent an Spätfolgen, im Alter ab 70 waren es 21,9 Prozent. Bei den Frauen traten Long Covid auch in den jüngeren Altersgruppen mit 14,9 Prozent deutlich häufiger auf als bei den Männern mit 9,5 Prozent, wie die Auswertungen ergaben.

„Wir haben dabei zwei verschiedene Symptommuster bei den Spätfolgen gefunden: Personen, die unter Erschöpfung, Kopfschmerzen und Beschwerden der Atemwege litten, und Menschen, die zusätzlich multisystemische Folgen aufwiesen, darunter anhaltendes Fieber oder gastrointestinale Symptome“, berichten Sudre und ihre Team. Insgesamt waren Erschöpfung und wiederkehrende Kopfschmerzen die häufigsten Symptome.

Mehr als fünf Symptome können ein Warnzeichen sein

Spannend für eine mögliche Prognose war jedoch eine weitere Beobachtung: „Die Patienten, die in der ersten Woche mehr als fünf Symptome dokumentierten, hatten ein signifikant größeres Risiko, auch nach mehr als einem Monat noch unter Beschwerden zu leiden“, berichtet das Team. „Dieser Zusammenhang war in allen Altersgruppen und beiden Geschlechtern ersichtlich.“ Das spreche dafür, dass eine organübergreifende, multisystemische Ausprägung der Infektion besonders häufig zu Spätfolgen führe.

Die am stärksten mit dem späteren Long-Covid-Risiko verknüpften Akut-Symptome waren Erschöpfung, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Heiserkeit und Muskelschwäche. Bei Covid-19-Erkrankten über 70 Jahren kamen die in diesem Alter normalerweise weniger häufigen Riechstörungen als potenzieller Voranzeiger hinzu. „Diese frühen Krankheitsmerkmale waren unseren Beobachtungen nach prädiktiv für den späteren Verlauf“, so die Forschenden.

Prognose-Modell funktioniert

Bestätigt wurde dies durch ein Prognose-Modell, das das Forschungsteam an 2.400 weiteren Covid-19-Patienten testete. „Mit nur drei Merkmalen – der Zahl der Symptome in der ersten Woche, dem Alter und dem Geschlecht – haben wir ein Prognose-Modell entwickelt, das kurzes und langes Covid-19 unterscheiden kann. Die Trefferquote lag im Test immerhin bei rund 75 Prozent, wie die Wissenschaftler berichten.

„Diese Erkenntnisse könnten dabei helfen, Risikogruppen zu erkennen und frühzeitig gezielt zu behandeln“, erklären Sudre und ihre Kollegen. Zudem sei das Wissen hilfreich, um geeignete Rehabilitations- und Nachsorgeprogramme zu entwickeln. (Nature Medicine, 2021; doi: 10.1038/s41591-021-01292-y)

Quelle: Nature

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