Genetik

Lag Beethovens Musikalität in seinen Genen?

Großangelegter Erbgutvergleich liefert eine unerwartete Antwort

Beethovens Genom
Was verrät Beethovens Genom über seine Musikalität? © Kirsty Pargeter/ iStock; Beethovenhaus/historisch

Genetisch genial? Der berühmte Komponist Ludwig van Beethoven gilt als musikalisches Ausnahmetalent – doch was zeigt sich davon in seinem Erbgut? Das hat nun ein Forschungsteam näher untersucht. Das überraschende Ergebnis: Zumindest in einem gängigen Marker für Musikalität ist Beethovens Genom offenbar wenig herausragend. Denn in Bezug auf diesen polygenischen Index liegt der Komponist nur im oberen Mittelfeld, wie das Team berichtet. Allerdings: Dieser genetische Marker erfasst nur einen kleinen Aspekt der Musikalität.

Ob Mozart, Beethoven oder Bach: Viele berühmte Komponisten gelten als Ausnahmetalente mit einzigartiger Musikalität. Doch was macht sie so besonders? Sind bestimmte Gene für die herausragenden musikalischen Fähigkeiten solcher Menschen verantwortlich? Immerhin zeigen Zwillingsstudien, dass die Musikalität zu rund 42 Prozent erblich bedingt ist. Eine genomweite Assoziationsstudie identifizierte zudem unlängst 69 Genvarianten, die uns ein gutes Rhythmusgefühl verleihen und auch weitere Aspekte der Musikalität fördern.

Vergleichender Blick in Beethovens Genom

An diesem Punkt kommen Beethoven und sein Erbgut ins Spiel: Die in einigen Haarlocken des Komponisten erhaltenen DNA hat Forschenden bereits erste Einblicke in Beethovens Genom gewährt, darunter vor allem in die genetischen Grundlagen seiner Erkrankungen. „Wir haben diesen Ansatz nun auf die Musikalität erweitert“, sagen Laura Wesseldijk und ihre Kollegen. Dafür suchten sie im Erbgut des Komponisten nach den 69 Genvarianten für Musikalität und Rhythmusgefühl.

„Wir haben diesen polygenischen Index für Beethoven ermittelt und ihn dann mit zwei populationsbasierten Datensätzen von tausenden modernen Menschen verglichen „, erklären Wesseldijk und ihr Team das Prozedere. Als Vergleichsgruppen dienten gut 5.600 Menschen eines schwedischen Zwillingsregisters und 6.150 Personen aus einer US-Genomdatenbank, die jeweils auf Rhythmusgefühl und Musikalität getestet worden waren.

„Wir haben bewusst keine Vorhersage dazu aufgestellt, wo Beethovens polygenischer Index liegen würde, weil wir mit unserer Studie vor allem die Grenzen dieses Ansatzes aufzeigen wollten“, betonen die Forschenden.

Beethovens polygenischer Index
Beethovens polygenischer Index des Rhythmusgefühls und der Musikalität im Vergleich zu den 5.600 Personen der Zwillingsstudie. © Wesseldijk et al./ Current Biology, CC-by 4.0

Genetisch gut, aber nicht herausragend

Die Genomvergleiche enthüllten Überraschendes: Beethoven liegt mit seinem polygenischen Musikalitätsindex im neunten und elften Perzentil der beiden Populationen. Damit hat der Komponist zwar mehr musikspezifische Genvarianten als rund 90 Prozent der Vergleichspersonen, aber herausragend ist diese Position nicht. Denn immerhin knapp zehn Prozent der Vergleichspersonen haben einen höheren Index als er, wie Wesseldijk und ihr Team ermittelten.

„Auf den ersten Blick erscheinen diese Resultate ziemlich verwirrend“, schreibt das Forschungsteam. „Denn Beethoven, einer der berühmtesten Musiker der Geschichte, schneidet hier wenig bemerkenswert ab.“ Aber warum? „Offensichtlich wäre es falsch, allein aus den Resultaten des polygenischen Indexes darauf zu schließen, dass Beethovens musikalische Fähigkeiten wohl doch nicht sonderlich bemerkenswert waren“, erklärt das Team. Denn die Kompositionen des Musikers belegen das Gegenteil.

Warum die Gene lügen

Was aber ist dann der Grund für Beethovens mäßiges genetisches Ergebnis? Wie Wesseldijk und ihre Kollegen erklären, hat dies mehrere Gründe: Zum einen erfassen polygenische Indices wie der hier untersuchte immer nur einen kleinen Bruchteil der genetischen Effekte, weil sie nur häufige Genvarianten erfassen, nicht aber seltene. „Zum anderen sind PGIs Annäherungen auf Populationsebene, die nur bedingt akkurate Vorhersagen für ein einzelnes Individuum treffen können“, so das Team.

Und schließlich das Wichtigste: „Musikalität ist kein einzelnes Merkmal, sondern eine Multikomponenten-Suite von Fähigkeiten“, erklären die Forschenden. Diese Fähigkeiten wiederum beruhen auf einer Mischung verschiedenster genetischer Faktoren, von denen einige nur ganz bestimmte Aspekte der Musikalität beeinflussen. Beethovens außergewöhnliche Musikalität beruht daher sehr wahrscheinlich auf genetischen und sozialen Faktoren, die außerhalb der hier getesteten 69 Genvarianten liegen.

„Eine wertvolle Lektion“

Demnach stellen diese Ergebnisse zwar nicht in Frage, dass das Erbgut einen Einfluss auf die musikalische Begabung eines Menschen hat. Sie verdeutlichen aber auch die Grenzen von genetischen Tests. „Wir glauben, dass die große Diskrepanz zwischen dieser DNA-basierten Vorhersage und Beethovens musikalischem Genie eine wertvolle Lektion ist“, sagt Koautor Simon Fisher vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik.

„Sie zeigt, dass man skeptisch sein sollte, wenn jemand zum Beispiel behauptet, man könne mit einem Gentest zuverlässig bestimmen, ob ein Kind musikalisch oder auf einem anderen Gebiet besonders begabt sein wird“, so der Forscher weiter. (Current Biology, 2024; doi: 10.1016/j.cub.2024.01.025)

Quelle: Current Biology

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Synästhesie - Das Geheimnis der „Farbenhörer“ und „Wörterschmecker“

Bücher zum Thema

50 Schlüsselideen Genetik - von Mark Henderson

Die Macht der Gene - Schön wie Monroe, schlau wie Einstein von Markus Hengstschläger

Der zweite Code - Epigenetik - oder wie wir unser Erbgut steuern können von Peter Spork

Top-Clicks der Woche