In ihre Berechnungen ließen sie dabei neue Studienergebnisse zum Zusammenhang zwischen der Schadstoffkonzentration in der Luft und dem Gesundheitsrisiko einfließen, die für deutlich höhere krankheitsspezifische Gefährdungsraten sprechen. Das Ergebnis: „Unsere Berechnungen zeigen eine viel höhere Krankheitsbelastung durch Luftverschmutzung als bisher angenommen“, sagt Mitautor Thomas Münzel von der Universitätsmedizin Mainz.

Knapp 800.000 Todesfälle werden in Europa jedes Jahr durch Feinstaub und Co verursacht - ein Großteil davon geht auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurück. © European Heart Journal
Todesursache Herzinfarkt
Konkret zeigte sich: Allein in Europa sind im Jahr 2015 rund 790.000 Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung gestorben. „Diese Zahlen übersteigen jüngste Schätzungen um mehr als den Faktor zwei“, schreiben die Forscher. 40 bis 80 Prozent dieser Todesfälle gingen dabei auf kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall zurück, wie sie berichten.
Für Deutschland berechnete das Team 154 zusätzliche Todesfälle pro 100.000 Einwohner und eine Reduzierung der durchschnittlichen Lebenserwartung um 2,4 Jahre. Das ist mehr als etwa in Italien und Großbritannien, aber weniger als in Rumänien, Kroatien oder der Ukraine, wie die Wissenschaftler berichten.
Schlimmer als Rauchen
Betrachtet man die gesamte Weltbevölkerung, deutet das neue Modell auf 8,8 Millionen vermeidbare Todesfälle hin – und damit ebenfalls rund doppelt so viele wie bislang angenommen. „Das bedeutet, dass die Luftverschmutzung mehr Todesfälle jährlich verursacht als das Rauchen, das laut WHO im Jahr 2015 etwa 7,2 Millionen Menschen das Leben gekostet hat“, betont Münzel.
Dem Mediziner und seinen Kollegen zufolge wirkt sich vor allem die Feinstaubbelastung auf das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen aus: Dieser, aber auch anderen schädlichen Umweltfaktoren gelte es nun schnellstmöglich entgegenzuwirken. „In Europa stammen Feinstaub und andere Luftschadstoffe hauptsächlich aus der Verbrennung fossiler Energieträger“, sagt Lelieveld. „Steigen wir auf erneuerbare Energien um, erfüllen wir nicht nur die Pariser Klimaziele, sondern könnten auch die mit der Luftverschmutzung in Zusammenhang stehenden Todesraten um bis zu 55 Prozent reduzieren.“
Feinstaub-Quelle Landwirtschaft
Daneben schlagen die Forscher Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft vor. Denn Feinstaub entsteht auch, wenn beim Ausbringen von Gülle Ammoniak in die Atmosphäre entweicht und sich dort mit anderen Gasen verbindet. „In Deutschland gehen bis zu 45 Prozent des freigesetzten Feinstaubs auf landwirtschaftliche Quellen zurück“, sagt Lelieveld. (European Heart Journal, 2019; doi: 10.1093/eurheartj/ehz135)
Quelle: European Society of Cardiology/ Max-Planck-Institut für Chemie
12. März 2019
- Daniela Albat