Neurobiologie

Männer und Frauen betrachten die Welt unterschiedlich

Geschlechter fixieren Personen, Gesichter und Tiere auf unterschiedliche Weise

Im Experiment verwendete Bilder und darauf farbig markiert die Hauptfixierungspunkte der männlichen (blau) und weiblichen (rot) Blicke, deutlich zu erkenne ist, dass die Frauen meist etwas tiefer schauten als die Männer. © Mercer Moss et al. /PloS ONE

Wohin wir als erstes schauen, ist geschlechtsspezifisch: Männer sehen bei Gesichtern von Menschen oder Tieren zuerst und fast ausschließlich auf die Augen. Frauen dagegen richten ihren Blick etwas tiefer: Sie schauen eher auf Nase oder Mund. Das zeigt ein Experiment britischer Forscher. Sie hatten 52 Männern und Frauen Bilder mit verschiedensten Motiven gezeigt und dabei ihre Blickrichtung aufgezeichnet. Dabei seien gleich mehrere Unterschiede aufgefallen, berichten die Forscher im Fachmagazin „PloS ONE“. Waren Menschen abgebildet, schauten beide Geschlechter am längsten auf Frauen. Während der Blick der Männer aber an deren Gesichtern hängen blieb, musterten die weiblichen Probanden den gesamten Körper ihrer abgebildeten Geschlechtsgenossin. Und auch beim Blick ins Gesicht lag der Blick der Frauen immer leicht unterhalb des wichtigsten Bezugspunkts – der Augen.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass Männer und Frauen die Welt ganz unterschiedlich betrachten“, schreiben Felix Mercer Moss von der University of Bristol und seine Kollegen. Selbst wenn sich beide Geschlechter in der gleichen Umgebung aufhielten, sei das, was sie von ihr wahrnehmen, nicht gleich. Im Versuch sei es allein anhand der Blick-Aufzeichnungen eines unbekannten Probanden möglich gewesen, Männer und Frauen mit 64-prozentiger Treffsicherheit voneinander zu unterscheiden.

Zumindest für einen der Unterschiede haben die Forscher eine mögliche Erklärung: Der direkte Blick ins Auge eines Gegenübers sei – auch im Tierreich – nicht nur wichtig um die soziale Situation abzuschätzen, er signalisiere oft auch Aggression. „Die Frage: ‚Was guckst du so?‘ ist oft eine Herausforderung und Einleitung zu einem Kampf“, erklären die Wissenschaftler. Ihrer Ansicht nach gehen Männer eher das Risiko einer solchen Herausforderung ein. Frauen reagierten dagegen sensibler auf potenzielle Bedrohungen. Sie neigten daher dazu, den direkten Blick in die Augen eines unbekannten Gegenübers zu vermeiden.

Von Liebesfilm bis Tierdokumentation

Das Diagramm zeigt, wo Männer und Frauen hinsehen. © Mercer Moss et al. /PloS ONE doi: 10.1371/journal. pone.0047870.g004

Für ihre Studie nutzten die Forscher 80 verschiedene Bilder, darunter Schnappschüsse aus verschiedenen Filmen, wie Tierdokumentationen, Liebesfilmen, Actionfilmen, sowie Bilder von abstrakten und figürlichen Gemälden. Sie zeigten diese Bilder jeweils fünf Sekunden lang 26 Männern und 26 Frauen, die einen sogenannten Eyetracker trugen – eine Gerät, das ihre Blickrichtung ermittelte und aufzeichnete. Bei jedem Bild sollten die Probanden zudem entweder angeben, wie positiv oder negativ oder wie spannend oder langweilig sie das Dargestellte fanden.

„Normalerweise fixierten die Probanden in den Bildern einen bis fünf Hotspots, Bereiche von besonderem Interesse“, berichten die Forscher. Männer hätten diese Bereiche jeweils etwas kürzer fixiert als die Frauen, machten dafür aber mehr kleine Augenbewegungen. War in einem Bild mehr als nur das Gesicht zu sehen, sei der Blick der weiblichen Probanden – vor allem bei dargestellten Frauen – vom Gesicht weg auf den Körper gewandert, der der Männer dagegen auf dem Gesicht haften geblieben. „Frauen erkunden visuell mehr und interessieren sich optisch für mehrere Details“, interpretieren die Forscher das Ergebnis.

Der auffallendste Unterschied sei aber beim Betrachten von Portraits aufgefallen, sagen die Wissenschaftler. Dort liege der wichtigste Hotspot normalerweise auf der Augenpartie. Entsprechend den Erwartungen hätten die männlichen Probanden auch diesen Bereich am längsten und intensivsten fixiert. „Die Frauen dagegen schauten diese Hotspots nicht direkt an, ihr Blick war leicht nach unten versetzt“, schreiben Mercer Moss und seine Kollegen. Dieser Effekt sei dann am stärksten gewesen, wenn die weiblichen Probanden zuvor aufgefordert worden waren, die Bilder auf ihre emotionale und potenziell bedrohliche Wirkung hin zu bewerten (doi:10.1371/journal.pone.0047870).

(PloS ONE, 04.12.2012 – NPO)

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