Medizin

Malaria: Rätsel der Resistenz gelöst

Warum das wichtigste Medikament gegen die Blutparasiten seine Wirkung verliert

Malaria
Malaria wird durch den Blutparasiten Plasmodium falciparum ausgelöst. © Christoph Burgstedt/ iStock.com

Resistente Erreger: Wissenschaftler haben herausgefunden, warum das wichtige Malariamedikament Artemisinin zunehmend seine Wirkung verliert. Bei resistenten Varianten der Parasiten verhindert demnach eine Mutation, dass der Wirkstoff in der Zelle aktiviert werden kann. Dadurch entgehen die Malariaerreger zwar seiner tödlichen Wirkung – gleichzeitig schwächen sie sich allerdings auch selbst, wie das Forscherteam im Fachmagazin „Science“ berichtet.

Malaria gehört nach wie vor zu den schlimmsten Plagen der Menschheit. Der Erreger der Krankheit, der Blutparasit Plasmodium falciparum, kostet jedes Jahr rund 450.000 Menschen das Leben. Zwar kann die Tropenkrankheit mithilfe spezieller Medikamente behandelt werden. Doch der Erfolg solcher Therapien ist zunehmend durch Resistenzen bedroht: Immer mehr Malariaerreger sind immun gegen Artemisinin – den bisher wichtigsten und wirksamsten Wirkstoff im Kampf gegen die Parasiten.

Warum das sonst so durchschlagende Mittel einigen Erregerstämmen nichts anhaben kann, war bisher unklar. Beobachtungen zeigten jedoch, dass Artemisinin-Resistenzen oftmals mit Mutationen in einem Protein namens Kelch13 einhergehen. Forscher um Jakob Birnbaum vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg haben sich dieses Protein daher nun genauer angesehen: Welche Funktion übt Kelch13 in der Parasitenzelle aus und wie könnten veränderte Versionen davon zur Resistenzbildung beitragen?

Verminderte Hämoglobinaufnahme

Um dies herauszufinden, führten die Wissenschaftler eine Reihe von zellbiologischen Untersuchungen durch. Dabei stellten sie fest: Kelch13 scheint gemeinsam mit anderen Proteinen zusammenzuwirken, um die Aufnahme des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin in die Parasitenzelle zu ermöglichen. Von diesem Farbstoff ernähren sich die Malariaerreger. „Die gezielte Inaktivierung von Kelch13 führte in unseren Versuchen zu einer verminderten Hämoglobinaufnahme“, berichtet Birnbaums Kollege Tobias Spielmann.

Weitere Experimente enthüllten schließlich, dass die bekannten Mutationen des Proteins einen ähnlichen Effekt haben: Die Blutparasiten nehmen weniger Hämoglobin auf. Das Entscheidende daran: Um seine toxische Wirkung entfalten zu können, ist das Medikament Artemisinin auf diese Hämoglobinaufnahme angewiesen. Es wird erst durch Abbauprodukte aktiviert, die bei der Verdauung des Blutfarbstoffs durch die Malariaparasiten entstehen.

Ein zweischneidiges Schwert

Ist die Hämoglobinaufnahme in die Parasitenzelle vermindert, entstehen folglich auch weniger Abbauprodukte. Artemisinin wird dann nicht mehr ausreichend aktiviert, um die Parasiten abtöten zu können. Für die Erreger ist dies ein zweischneidiges Schwert, wie die Forscher berichten. Denn einerseits entgehen sie dadurch dem tödlichen Wirkstoff, andererseits droht ihnen Nahrungsmangel und sie vermehren sich langsamer.

„Eigentlich handelt es sich bei der Artemisinin-Resistenz um eine feinsinnige Balance“, resümiert Spielmann. „Zum einen muss der Parasit trotz verringerter Hämoglobinaufnahme noch genügend Nahrung zu sich nehmen, um zu überleben. Zum anderen darf er gerade nur so viel Hämoglobin aufnehmen, dass Artemisinin nicht mehr ausreichend aktiviert wird.“

Ansatz für bessere Therapien?

Die Entschlüsselung dieses Zusammenhangs könnte in Zukunft dabei helfen, bessere Malariamedikamente zu entwickeln. In einem begleitenden Kommentar im Fachmagazin „Science“ schlagen die Malariaforscher Danushka Marapana und Alan Cowman zum Beispiel vor, ein anderes Begleitmedikament bei der Therapie einzusetzen.

Üblicherweise wird Artemisinin in Form von Kombinationspräparaten gemeinsam mit anderen Wirkstoffen verabreicht. Dabei sollte nach Ansicht der Experten künftig darauf geachtet werden, dass das zweite Medikament einen anderen Wirkmechanismus als Artemisinin hat. Der richtige Kandidat hätte gute Chancen, auch gegen resistente Varianten der Erreger durchschlagende Wirkung zu haben – immerhin haben sie sich durch die verringerte Nahrungsaufnahme schon selbst geschwächt. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.aax4735)

Quelle: Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin

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