Neuer Rekord: Forschern ist es erstmals gelungen, menschliche Spenderlebern eine Woche lang außerhalb des Körpers aufzubewahren. Möglich wurde dies dank einer optimierten Variante der sogenannten Maschinenperfusion – dabei werden die Lebern in einen Zustand wie im Körper versetzt. Das neue Verfahren vergrößert nun nicht nur das Zeitfenster für den Organtransport. Es ermöglicht auch, vorgeschädigte Organe doch noch fit für eine Transplantation zu machen.
Für Menschen mit akutem Leberversagen oder einer chronischen Lebererkrankung ist eine Organtransplantation oftmals die letzte Rettung. Doch der Bedarf an Spenderlebern ist groß und die Wartelisten sind lang. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Um ein passendes Organ zum Patienten zu bringen, bleiben Medizinern nur wenige Stunden. Denn außerhalb des Körpers ist das Gewebe von der Durchblutung und Sauerstoffversorgung abgeschnitten. Diese sogenannte Ischämiezeit ist kritisch, da sie die sensiblen Zellen und Strukturen empfindlich schädigen kann.
Aus diesem Grund suchen Forscher schon länger nach Möglichkeiten, Spenderlebern länger haltbar zu machen – und so mehr Zeit für den Transport zu gewinnen. Eine der möglichen Alternativen zum gängigen Transport in der Kühlbox ist die sogenannte Maschinenperfusion. Dabei wird die Leber in einem Apparat transportiert, der sie wie eine Art künstlicher Kreislauf mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Angeschlossen an eine solche Maschine funktioniert das Organ weiterhin wie im Körper und konnte bisher bis zu 24 Stunden am Leben gehalten werden.
Imitation der Körperumgebung
Dilmurodjon Eshmuminov vom Universitätsspital Zürich und seine Kollegen haben das Perfusionsverfahren nun weiter optimiert – und einen neuen Rekord aufgestellt. Mit der von ihnen entwickelten Maschine können Lebern künftig deutlich länger als 24 Stunden außerhalb des Körpers aufbewahrt werden: Sie überleben eine Woche lang.
Um dies zu erreichen, entwickelten die Wissenschaftler einen Apparat, der die Körperumgebung noch genauer imitiert als vorherige Modelle. In ihrer Perfusionsmaschine werden die Lebern nicht nur über Schläuche mit sauerstoffreichem Blut sowie Hormonen und Nährstoffen versorgt. Sie werden auch im Takt der menschlichen Atmung bewegt. Zudem imitiert das System die Dialysefunktion der Nieren. Viele Parameter wie zum Beispiel der Glucosespiegel werden dabei automatisiert kontrolliert. Außerdem lässt sich die gesamte Technologie ferngesteuert betreiben.
Mehr Zeit für Transport und Aufbereitung
Erste Tests mit Lebern von Schweinen bestätigten, dass die Organe auf diese Weise sieben Tage lang außerhalb des Organismus überleben. Dies hat nicht nur Vorteile für das Zeitfenster beim Transport. Wie die Forscher betonen, lässt sich die gewonnene Zeit auch nutzen, um mangelhafte Spenderlebern doch noch für eine Transplantation fit zu machen.
Beispielsweise durch Vorerkrankungen des Spenders geschädigte Lebern kommen für eine Organspende oft nicht in Frage, weil sie den Transport in der Kühlbox nicht überstehen oder von vorneherein eine zu geringe Qualität aufweisen. In der Perfusionsmaschine könnten sich solche Organe jedoch regenerieren. Theoretisch sind Eshmuminov und seinem Team zufolge sogar Behandlungen wie onkologische Therapien möglich.
Vorgeschädigte Organe regenerieren sich
Doch wie gut lassen sich vorbelastete Organe mithilfe der Perfusionsmethode wirklich retten? Um dies herauszufinden, machten die Wissenschaftler den Test mit zehn menschlichen Spenderlebern. Alle Organe waren zuvor nicht für eine Transplantation akzeptiert worden, weil sie in einem zu schlechten Zustand waren.
Doch nach siebentägiger Perfusion sah dies anders aus: Immerhin sechs der zehn Lebern hatten nach der Aufbereitung in der Maschine eine hervorragende Funktionsfähigkeit, wie das Team berichtet. „Der Erfolg unseres Perfusionssystems eröffnet viele neue Möglichkeiten, Spenderlebern außerhalb des Körpers zu überprüfen und zu behandeln und so Patientinnen und Patienten mit schweren Leberkrankheiten zu helfen“, erklärt Eshmuminovs Kollege Pierre-Alain Clavien.
Bald bereit für die Praxis?
Die Wissenschaftler hoffen nun, dass sich ihr Ansatz in weiteren Studien bewährt. Bestätigt sich der Nutzen bei vorgeschädigten Lebern und zeigen sich langfristige Transplantationserfolge, könnte die neue Perfusionsmethode ihrer Ansicht nach schon bald den Weg in die Praxis finden.
Die Maschinenperfusion ist allerdings nicht der einzige Ansatz, mit dem Mediziner Spenderorgane länger haltbar machen wollen. Mit dem sogenannten Supercooling erproben sie derzeit zum Beispiel auch ein Verfahren, bei dem die Organe bei Minustemperaturen konserviert werden – und zwar ohne zu gefrieren. Solche Kühlprozesse sind allerdings für vorgeschädigte Organe wahrscheinlich weniger gut geeignet. (Nature Biotechnology, 2020; doi : 10.1038/s41587-019-0374-x)
Quelle: Universität Zürich