Wahrer Chemie-Cocktail: Drei von vier Alltagsprodukten aus Plastik enthalten potenziell schädliche Substanzen, wie eine Studie enthüllt. In Joghurtbechern, Trinkflaschen und Co steckt demnach oft ein regelrechter Cocktail von Chemikalien, die zum Teil toxisch auf Zellen wirken oder hormonähnliche Effekte entfalten können – sogar Bioplastik ist betroffen. Ob die identifizierten Substanzen tatsächlich ein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellen, ist allerdings noch unklar.
Kunststoffe stecken in zahlreichen Alltagsprodukten und gelten in vielen Lebensbereichen als unverzichtbar, denn sie sind vielseitig und robust. Doch sind sie auch unbedenklich? Neben dem Problem mit dem Plastikmüll rücken zunehmend auch mögliche Gesundheitsrisiken durch Kunststoffe in den Fokus der Öffentlichkeit. So ist zum Beispiel bekannt, dass die in vielen Produkten enthaltenen Weichmacher und Weichmacher-Zusatzstoffe wie Bisphenol A eine hormonähnliche Wirkung auf unseren Stoffwechsel haben. Sie stehen daher im Verdacht, unter anderem Übergewicht, Diabetes und Asthma zu fördern.
Chemie-Cocktail im Kunststoff
Doch das ist noch nicht alles: Je nach Typ und Anwendung werden Plastik bei der Herstellung zahlreiche weitere Zusatzstoffe wie Stabilisatoren und Farbstoffe beigesetzt. Außerdem entstehen während der Produktion viele Neben- oder Abbauprodukte. „In dem komplexen Herstellungsprozess von Kunststoffen entsteht ein regelrechter Cocktail an Substanzen, von denen wir einen Großteil überhaupt nicht kennen“, erklärt Carolin Völker vom Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main.
Um mehr über diesen Chemie-Cocktail herauszufinden, haben die Forscherin und ihre Kollegen um Erstautorin Lisa Zimmermann von der Goethe-Universität nun 34 Alltagsprodukte aus Kunststoff genauer untersucht – darunter Joghurtbecher, Mehrwegtrinkflaschen, Gefrierbeutel und Shampoobehälter. Insgesamt bestanden diese Produkte aus acht unterschiedlichen Kunststofftypen wie PET, PVC und Polyurethan (PUR).
Dreiviertel enthalten Schadstoffe
Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler die genaue Zusammensetzung der Plastikprodukte und suchten außerdem nach Hinweisen auf mögliche gesundheitsschädliche Effekte. Dafür lösten sie die einzelnen Substanzen im Labor aus den Produkten heraus und führten mit ihnen eine Reihe von Zelltests durch.
Das Ergebnis: Insgesamt wies Zimmermanns Team in den Proben 1.411 chemische Substanzen nach. In einzelnen Produkten waren dabei sogar mehr als hundert unterschiedliche Chemikalien enthalten. Entscheidend aber ist folgender Befund: „Wir fanden in drei von vier getesteten Produkten schädliche Substanzen“, berichtet Zimmermann. Diese Produkte enthielten demnach Chemikalien, die mindestens eine der untersuchten negativen Auswirkungen hatten – sie wirkten zum Beispiel toxisch auf Zellen, lösten oxidativen Stress aus oder riefen hormonähnliche Effekte hervor.
Nicht identifizierbare Substanzen
Die größte Anzahl an Chemikalien mit den im Schnitt bedenklichsten Wirkungen fanden sich den Auswertungen zufolge in den Plastiktypen PVC und PUR. Und: Sogar als Bioplastik vermarktete Kunststoffe enthielten in allen Fällen schädliche Chemikalien. Auch diese vermeintlich „grünen“ Alternativen können also möglicherweise negative Gesundheitseffekte entfalten, wie die Forscher berichten.
Besorgniserregend auch: Von den mehr als 1.400 in den Stichproben gefundenen Substanzen konnten die Wissenschaftler lediglich 260 zweifelsfrei identifizieren. „Das heißt, wir wissen zum Großteil nicht, womit wir es in den Kunststoffprodukten zu tun haben. Und wenn wir die Chemikalien nicht kennen, können wir auch nicht bestimmen, ob sie sicher für Mensch und Umwelt sind“, betont Zimmermann.
Risiko für den Menschen unklar
Was aber bedeuten die Ergebnisse nun für die Verbraucher? Wie der nicht an der Untersuchung beteiligte Toxikologe Wolfgang Dekant von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg kritisiert, bleibt genau das leider unklar. „Die Toxizitäts-Prüfungen sagen nichts über eventuelle Gesundheitsrisiken etwa bei Verzehr von verpackten Lebensmitteln aus. Gesundheitsrisiken sind abhängig vom Übergang der Inhaltsstoffe des Kunststoffs in das verpackte Lebensmittel und dem Ausmaß des Verzehrs des spezifischen Lebensmittels.“
Auch bei anderen Alltagsprodukten ist bisher weitestgehend unbekannt, ob und in welchen Mengen darin enthaltene Schadstoffe in den menschlichen Organismus übergehen und welche Folgen das hat, wie auch die Autoren selbst betonen. „Trotzdem sollten solche Chemikalien nicht in Kunststoffen vorkommen, auch wenn wir nicht wissen, wie sie sich auf unsere Gesundheit auswirken“, konstatiert Zimmermann.
Strengere Vorgaben gefordert
Sie und ihre Kollegen fordern von der Politik daher nun strengere Vorgaben für die Hersteller von Plastikprodukten: „Für die Kunststoffproduzenten sollte es verbindliche Auflagen geben, die Inhaltsstoffe transparent zu machen und die Unbedenklichkeit ihrer Produkte zu garantieren“, erklären sie. (Environmental Science & Technology, 2019, doi: 10.1021/acs.est.9b02293)
Quelle: ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung