Medizin

Medizin-Nobelpreis für Vesikel-Jäger

Preis für drei Erforscher der Verpackungs- und Transport- Maschinerie unserer Zellen

Vesikel - Transport- und Verpackungseinheiten der Zelle © Nobel Foundation

Der Nobelpreis für Medizin geht an drei Wissenschaftler, die die raffinierte Verpackungs- und Transport- Maschinerie unserer Zellen entschlüsselt haben. Neben den beiden US-Forschern James Rothman und Randy Schekman ist auch der deutsche Wissenschaftler Thomas Südhof dabei, der seit den 1980er Jahren in den USA lebt und arbeitet.

Jede unserer Zelle ist eine winzig kleine Fabrik: Sie produziert wichtige Produkte, die anderswo im Körper benötigt werden, verarbeitet Lieferungen, die sie von anderen Organen und Zellen erhält und muss mit überschüssigen Restprodukten fertig werden. Und auch innerhalb der Zelle müssen Signalmoleküle und Baustoffe von einem Bereich in den anderen transportiert werden. Damit dabei kein Chaos ausbricht, muss sichergestellt sein, dass jede „Fracht“ zu genau der richtigen Zeit an der richtigen Stelle landet. Wie in einer großen Fabrik auch sind Timing und eine gut funktionierende Logistik hier entscheidend.

Geniale Logistik

Die Zelle stellt dies mit einem genial einfachen und zugleich raffinierten Verpackungs- und Transportsystem sicher: den Vesikeln. Diese kleinen Bläschen bestehen aus dem gleichen Material wie die Zellmembran und umschließen jede Fracht, die in der Zelle unterwegs ist, wie eine Art Paket. Soll ein Stoff aus der Zelle hinausgeschleust werden, bewegt sich das Vesikel samt Ladung zur Zellmembran. Dort verschmilzt es mit ihr so, dass ihr Inhalt auf der Außenseite der Zellhülle landet. Umgekehrt nimmt die Zelle neue Substanzen auf, indem sich einfach ein Teil der Zellmembran nach innen einschnürt und das außen angelagerte Material dabei einschließt.

So weit, so bekannt. Eine große Frage aber blieb lange Zeit offen: Woher wissen die einzelnen Vesikel, wo sie ihre Fracht hinbringen sollen und wie koordiniert die Zelle ihre Bewegungen? Genau hier kommen die drei diesjährigen Nobelpreisträger ins Spiel. Denn jeder von ihnen entdeckte eines der Puzzleteile, die erklären, wie die Zelle ihren Vesikeltransport kontrolliert.

Hefezelle mit funktionierenden Vesikeln und mit einer Überproduktion. © NObel Foundation

Hefegene und das Schlüssel-Schloss-Prinzip

Der US-Forscher Randy W. Schekman suchte bei Hefen nach den Genen, die den Vesikel-Transport steuern. Gezielt züchtete er dafür verschiedene Hefestämme, bei denen jeweils eines oder mehrere Gene ausgeschaltet waren. Dabei entdeckte er 23 Gene, die für diese Maschinerie essenziell waren. Durch weitere Versuche gelang es ihm, den gesamten genetischen Signalweg zu entschlüsseln, der das komplexe Zusammenspiel der Transporter funktionieren lässt – oder aber nicht, wie bei einigen Krankheiten der Fall.

Sein Kollege James Rothman von der Stanford University entschlüsselte die Proteinstrukturen, die es den Vesikeln ermöglichen, mit der Zellmembran oder den Membranen von Zellorganellen zu verschmelzen und so ihre Fracht abzugeben oder aufzunehmen. Als Modell dafür nutzte er Zellen, die von einem bestimmten Virus befallen sind. Mit Hilfe spezieller Versuchsansätze gelang es ihm, den Transport eines viralen Proteins durch die Wirtszelle zu verfolgen und dabei die Proteine zu isolieren, die das Vesikel funktionsfähig machten. Es stellte sich heraus, dass auch dabei, wie häufig im Körper, das Schlüssel-Schloss-Modell greift: Das Vesikel kann nur dann mit einer Membran verschmelzen und ihre Fracht freisetzen, wenn dort die für seine Schlüsselproteine passenden Schlossproteine anwesend sind.

Synapse mit Botenstoffen © NIH

Kalzium-Signal an den Synapsen

Der dritte Preisträger ist der deutsche Neurochemiker Thomas Südhof, der an der Universität Göttingen studierte und am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Forschung in Göttingen promovierte. In den 1980er Jahren ging er dann als Postdoc in die USA und lebt und arbeitet seither dort. Sein Hauptinteresse galt der Frage, wie Nervenzellen an den Synapsen im Gehirn miteinander kommunizieren. An diesen Kontaktstellen werden elektrische Nervensignale in chemische Botenstoffe umgewandelt, die über den Spalt zwischen den beiden Nervenzellen hinweg geschleust werden und in der Folgezelle dann wiederum einen Reiz auslösen.

Auch dabei spielen Vesikel die entscheidende Rolle. Denn sie setzen Neurotransmitter frei, wenn dieses Nervenende ein entsprechendes elektrisches Signal erhält. Südhof fand durch Versuche heraus, dass ein Kalzium-Signal dafür sorgte, dass die Neurotransmitter-Vesikel genau zu der Zeit ihre Fracht freisetzen, wenn der entsprechende Nervenreiz kommt. Seine Entdeckung erklärt, wie der Vesikel-Transport zeitlich präzise gesteuert werden kann.

Zusammen haben die drei Forscher nicht nur einen grundlegenden Mechanismus unserer Zellen enthsclüsselt. Er ist auch wichtig, um einige Krankheiten zu verstehen, bei denen eben diese Maschinerie nicht mehr richtig funktioniert.

(Nobel Foundation, 07.10.2013 – NPO)

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