Umwelt

Mehr als 120 potenziell schädliche Chemikalien in Plastikspielzeug

Vor allem in Weichplastik überschreiten viele Substanzen die akzeptablen Risikoschwellen

Platikspielzeug
Über Plastikspielzeug sind Kinder potenziell gesundheitsschädlichen Belastungen mit Chemikalien ausgesetzt. © FamVeld/ iStock.com

Gefährliches Spiel: In Plastikspielzeug haben Forscher 126 Zusatzstoffe in potenziell schädlichen Mengen nachgewiesen. Vor allem in Kinderspielzeug aus weichem Kunststoff fanden sich teils hohe Konzentrationen verschiedener Weichmacher, aber auch Flammschutzmittel und Duftstoffe. Auch einige vermeintlich harmlose Ersatzstoffe überschritten Referenzwerte oder Risikoschwellen, wie die Wissenschaftler berichten.

Das Problem ist nicht neu: Damit Kunststoffe elastisch bleiben, sich nicht so leicht entzünden oder eine spezielle Konsistenz bekommen, werden ihnen zahlreiche Chemikalien zugesetzt – darunter Weichmacher, Flammschutzmittel und Stabilisatoren. Doch viele dieser Substanzen haben sich als gesundheitsschädlich erwiesen. So können Weichmacher und ihr Zusatzstoff Bisphenol A eine hormonähnliche Wirkung entfalten, Übergewicht begünstigen und Asthma fördern. Flammschutzmittel können ebenfalls den Hormonstoffwechsel stören und einige gelten als krebserregend.

Schon vor einigen Jahren warnten Wissenschaftler sogar vor einer „Verdummung“ unserer Kinder durch Alltagschemikalien. 2019 wiesen Forscher nah, dass drei Viertel der Alltagsgegenstände aus Plastik potenziell schädliche Chemikalien enthalten.

Wie schädlich sind die Inhaltsstoffe von Plastikspielzeug?

Doch wie sieht dies mit Kinderspielzeug aus? Das haben Nicolo Aurisano von der Technischen Universität Dänemark in Lyngby und sein Team untersucht. Sie wollten wissen, welche Chemikalien in Plastikspielzeug enthalten sind, ob sie auf Listen potenziell bedenklicher Chemikalien stehen und wie hoch die Belastung für ein Kind ist, das mit diesem Spielzeug spielt. Dazu werteten sie quantitative Daten für 419 Chemikalien aus, die in Kinderspielzeug aus Weich- und Artplastik gefunden wurden.

„Wir haben diese chemischen Inhaltsangaben mit Informationen zu Materialeigenschaften und dem Spielverhalten von Kindern kombiniert – beispielsweise der Nutzungsdauer eines Spielzeugs, ob es dieses in den Mund steckt und auch, wie viel Spielzeug ein Kind typischerweise hat“, erklärt Aurisano. „Diese Information verwendeten wir, um die Belastung mithilfe spezieller Modelle zu errechnen und diese Werte dann mit Referenzdosen zu vergleichen.“

Auf diese Weise konnten die Forscher ermitteln, welche Chemikalien Kinder beim Spielen aufnehmen und in welcher Menge – und ob diese Dosis schon in den potenziell bedenklichen Bereich fällt.

Belastung
Geschätzte Belastung von Kindern durch verschiedene Chemikalien in Plastikspielzeug. Oben in Bezug auf die Referenzdosis ohne inakzeptable Gesundheitsrisiken, unten in Bezug auf das Krebsrisiko mit dem Grenzwert ein Fall pro einer Million. © Burke et al. /PNAS

126 Substanzen in potenziell schädlichen Mengen

Das Ergebnis: „Von den 419 Chemikalien, die in dem Hartplastik, Weichplastik und Schaumstoff von Kinderspielzeug enthalten sind, haben wir 126 Substanzen identifiziert, die die Gesundheit der Kinder potenziell schädigen könnten – weil sie krebserregend sind oder auf andere Weise“, berichtet Aurisanos Kollege Peter Fantke. Als potenziell schädlich stuften er und sein Team Konzentrationen ein, die die Richtwerte oder die offiziellen Risiko-Schwellen für eine krebserregende Wirkung überschritten.

Unter den potenziell schädlichen Inhaltsstoffen waren 31 Weichmacher, 18 Flammschutzmittel und acht Duftstoffe. Die Konzentrationen der einzelnen Chemikalien waren dabei je nach Plastikmaterial sehr unterschiedlich und differierten bei verschiedenen Spielzeugen um mehrere Größenordnungen. So war der Weichmacher Diisodecylphthalat (DiDP) in Weichplastik in Anteilen zwischen 0,003 und 30 Prozent enthalten, wie die Forscher berichten.

„Diese Substanzen sollten als erste aus Kinderspielzeug verschwinden und durch sicherere und nachhaltigere Alternativen ersetzt werden“, sagt Fantke.

Auch Ersatzstoffe mit Risikopotenzial

Allerdings: Unter den Chemikalien, die Kinder über das Spielzeug in potenziell bedenklichen Mengen aufnehmen könnten, waren auch einige dieser vermeintlich gesünderen Ersatzstoffe. Unter diesen haben die Forscher ebenfalls einige identifiziert, die zu einer Gesundheitsbelastung führen könnten. Darunter sind die Weichmacher TIXB und ATBC. Letzteres wird vor allem in Plastikgeschirr oder Folien aus PVC eingesetzt.

„Für diese Alternativen gab es Anzeichen für eine Belastung mit hohem Risikopotenzial bei Kindern“, sagt Fantke. „Sie sollten daher weiter untersucht werden, um zu verhindern, dass eine schädliche Chemikalien durch eine ähnlich schädliche ersetzt wird.“ Die Forscher hoffen, dass ihre Berechnung des maximal akzeptablen Gehalts für alle bisher analysierten Plastik-Inhaltsstoffe dabei helfen wird, besser Prüfstandards zu entwickeln.

Kinderzimmer gut lüften und Weichplastik vermeiden

Die Studie ergab zudem, dass die häufigste Belastung von den aus dem Kunststoff ausgedünsteten flüchtigen Stoffen ausgeht. Eine Aufnahme durch Hautkontakt spielt dagegen eine nur untergeordnete Rolle. „Die Kinder atmen beim Spielen die Chemikalien ein, die aus allen Spielzeugen im Raum ausdünsten, während sie nur ein Spielzeug zurzeit anfassen“, erklärt Fantke. Im Schnitt besitzen Kinder aus westlichen Ländern 18 Kilogramm Plastikspielzeug – das unterstreiche, von wie viel Plastik sie täglich umgeben seien.

Um die Belastung für Kinder zu minimieren, empfehlen die Wissenschaftler allen Eltern, die Menge an Plastikspielzeug bei ihren Kindern zu begrenzen und möglichst auf alternative Materialien zurückzugreifen. Vor allem Weichplastik sollte wegen des hohen Weichmachergehalts gemieden werden. Außerdem sollten Kinderzimmer immer besonders gut gelüftet werden, um die ausgedünsteten Schadstoffe zu beseitigen. (Environmental International, 2021; doi: 10.1016/j.envint.2020.106194)

Quelle: Technical University of Denmark

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