Rauchen, Übergewicht und Co: 37 Prozent aller Krebserkrankungen gehen in Deutschland auf solche Risikofaktoren zurück – und sind damit potenziell vermeidbar, wie eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums zeigt. Demnach lassen sich allein 85.000 Krankheitsfälle pro Jahr auf den Tabakkonsum zurückführen. Ebenfalls für eine Vielzahl von Neuerkrankungen verantwortlich sind den Forschern zufolge ungesunde Ernährungsgewohnheiten. Dies offenbare, wie groß hierzulande das ungenutzte Potenzial in Sachen Krebsprävention sei.
Krebs entsteht, wenn sich Körperzellen aufgrund von Fehlern im Erbgut unkontrolliert zu vermehren beginnen. Solche Defekte im DNA-Code können rein zufällig oder aufgrund einer genetischen Veranlagung auftreten. Zudem erhöht sich auch mit zunehmendem Alter das Risiko für Fehler bei der Zellteilung. Darüber hinaus kann jedoch eine Vielzahl weiterer Faktoren die Schädigung von DNA und in Folge die Krebsentstehung begünstigen. Dazu gehören beispielsweise das Rauchen, Alkoholkonsum und Übergewicht, ebenso wie regelmäßige Solariumgänge oder das Einatmen verschmutzter Luft – Einflussgrößen, auf die wir selbst als Individuen oder Gesellschaft einwirken können.
Erstmals ermittelt
Doch wie viele Krebsfälle gehen pro Jahr auf solche Faktoren zurück und sind damit potenziell vermeidbar? Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg und ihre Kollegen haben diese Zahl nun erstmals für Deutschland ermittelt. Dafür schauten sich die Wissenschaftler alle 440.000 im Jahr 2018 zu erwartenden Krebsneuerkrankungen bei Personen im Alter von 35 bis 84 Jahren an.
Für ihre Analysen berechneten sie: Wie würde sich diese Zahl verändern, wenn bestimmte Risikofaktoren eliminiert oder reduziert würden? Dabei berücksichtigten sie lediglich jene Faktoren, für die ein ursächlicher Zusammenhang mit der Krebsentstehung als gesichert gilt. Das Ergebnis: 37,4 Prozent aller Krebserkrankungen könnten vermeidbar sein – das sind 164.656 Krankheitsfälle.
Problemfaktor Rauchen
„Die nun veröffentlichten Daten liefern eine wichtige Grundlage für die Präventionsforschung“, sagt DKFZ-Vorstandsvorsitzender Michael Baumann. „Wir könnten weit über ein Drittel aller Krebsneuerkrankungen vermeiden, würden wir das Potenzial der Krebsprävention voll ausschöpfen. Das würde nicht nur Zehntausenden das Leben retten, sondern darüber hinaus noch deutlich mehr Menschen das Schicksal einer schweren Erkrankung und die damit verbundenen Belastungen ersparen.“
Besonders viel erreicht werden könnte den Ergebnissen zufolge im Bereich des Tabakkonsums – der Risikofaktor mit dem größten negativen Einfluss. 19 Prozent aller Krebsfälle gehen demnach bei uns auf das Rauchen zurück. „In Ländern, die eine konsequente Tabakprävention betreiben – beispielsweise Australien und Großbritannien – fordert das Rauchen inzwischen weit weniger Krebsopfer“, sagt Mons. Zum Vergleich: Bei den Briten bedingt der Tabakkonsum nur rund 15 Prozent aller Krebsfälle.
Zahl noch zu niedrig?
Auf Platz zwei und drei der einflussreichsten Risikofaktoren rangieren in der Studie die Faktoren Ernährung und Übergewicht. Ungesunde Essgewohnheiten sind demnach für 7,8 Prozent, überflüssige Pfunde für 6,9 Prozent der Krebsfälle verantwortlich, dicht gefolgt von Bewegungsmangel.
Der nun errechnete Anteil an vermeidbaren Krebserkrankungen ist bereits erstaunlich groß – doch möglicherweise sind die Zahlen sogar noch zu niedrig, wie das Forscherteam betont. So sind die Zusammenhänge mit einzelnen Risikofaktoren bei vielen Krebsarten noch nicht abschließend belegt und daher nicht in die Risikoberechnung eingeflossen. Andere Einflussgrößen wie die natürliche UV-Strahlung konnten aus Mangel an Daten nicht berücksichtigt werden.
Effekt von Vorsorgeeuntersuchungen
Außerdem haben die Wissenschaftler auch den Effekt von Vorsorgeuntersuchungen nicht in ihre Studie einfließen lassen: „Berücksichtigen wir zusätzlich das Potenzial von Früherkennungsmaßnahmen, etwa der Darmspiegelung, so liegt der Anteil vermeidbarer Krebserkrankungen noch höher, schätzungsweise bei mindestens 50 Prozent“, konstatiert Mitautor Hermann Brenner.
Mons und ihre Kollegen fordern daher, dass hierzulande künftig mehr in Sachen Vorbeugung investiert wird. Angesichts des demographischen Wandels sei zu erwarten, dass in den kommenden Jahren immer mehr Menschen in Deutschland an Krebs erkranken – entsprechend groß sei das Potenzial für die Prävention.
„Vorbeugen zahlt sich aus“
„Einen Erfolg solcher Maßnahmen werden wir zwar erst nach vielen Jahren sehen. Und eine schlagkräftige Krebsprävention wird nicht zum Nulltarif zu haben sein“, konstatiert Baumann. „Doch Fortschritte in der Krebstherapie haben erst recht ihren Preis. Langfristig wird sich Vorbeugen auszahlen, auch gesundheitsökonomisch.“ (Deutsches Ärzteblatt, 2018; doi: 10.3238/arztebl.2018.0571, doi: 10.3238/arztebl.2018.0578, doi: 10.3238/arztebl.2018.0586)
(Deutsches Krebsforschungszentrum, 04.09.2018 – DAL)