Medizin

Mehr Autismus durch Herpes-Infektion?

Genitalherpes bei Schwangeren kann das Autismus-Risiko des Kindes verdoppeln

Herpes simplex Viren bleiben nach der Infektion lebenslang im Körper - das gilt auch für HSV-2, den Erreger des Genitalherpes. © CDC/ Fred Murphy; Sylvia Whitfield

Infektion mit Langzeitfolgen: Sind schwangere Frauen mit Genitalherpes infiziert, erhöht dies das Autismus-Risiko für ihr Kind – um immerhin das Doppelte, wie eine Studie ergeben hat. Schuld daran ist offenbar nicht das Herpes-Virus selbst, sondern wahrscheinlich die Immunreaktion der Mutter auf die Infektion. Sie kann die Hirnentwicklung des Ungeborenen beeinträchtigen, wie die Forscher erklären.

Obwohl Autismus in vielen Ländern zunimmt, sind die Ursachen dieser frühkindlichen Entwicklungsstörung bisher erst ansatzweise bekannt. Demnach gibt es zwar eine genetische Komponente, aber auch Umwelteinflüsse vor der Geburt spielen eine Rolle. Im Verdacht stehen unter anderem Pestizide, polychlorierte Biphenyle (PCB) aber auch die Einnahme von Antidepressiva bei Schwangeren. Keinen Einfluss auf das Autismus-Risiko hat dagegen die Masern-Impfung.

Bis zu 20 Prozent der Frauen infiziert

Jetzt haben Milada Mahic von der Columbia University und seine Kollegen einen weiteren möglichen Auslöser für frühkindlichen Autismus aufgespürt: eine Infektion der Mutter mit Genitalherpes. Verantwortlich dafür ist HSV-2, eine Unterform der für die Lippenbläschen verantwortlichen Herpes simplex-Viren. Auch HSV-2 bleibt lebenslang im Körper und kann immer wieder neu aktiv werden. Schätzungen zufolge tragen bis zu 20 Prozent der Frauen dieses Virus in sich.

Für ihre Studie hatten die Forscher Blutproben von 412 Müttern autistischer Kinder und 463 Müttern gesunder Kinder auf Antikörper gegen fünf Erreger untersucht: Auf Herpes simplex 1 und 2, auf Toxoplasmose, das Rötelnvirus und das Cytomegalie-Virus. Die Blutproben waren den Frauen in der 18. Schwangerschaftswoche und bei der Geburt entnommen worden.

Autismus-Risiko verdoppelt

Das Ergebnis: Insgesamt 13 Prozent der Frauen hatten während der Schwangerschaft größere Mengen von Antikörpern gegen HSV-2 im Blut. Von diesen bekamen später doppelt so viele ein autistisches Kind wie die nicht infizierten Frauen, wie die Forscher berichten. Bei den Antikörpern gegen die anderen Krankheiten gab es diesen Zusammenhang dagegen nicht.

Nur scheinbar abgeschirmt: Das Ungeborene ist auch im Mutterleib vielen Umwelteinflüssen ausgesetzt. © JOse Torres/ freeimages

Entscheidend für das erhöhte Autismus-Risiko des Kindes ist dabei offenbar nicht eine Infektion des Fötus mit dem Herpes-Virus. Denn diese führt in den meisten Fällen zu einer Fehlgeburt. Stattdessen vermuten die Wissenschaftler, dass die Immunreaktion der Mutter auf HSV-2 zu Entzündungen und anderen Prozessen führt, die die Gesundheit des Ungeborenen beeinträchtigen.

Hirnentwicklung gestört

„Die mütterliche Immunreaktion könnte die Entwicklung des kindlichen Nervensystems stören und so das Autismus-Risiko erhöhen“, sagt Mahic. Dies passe zu früheren Studien, nach denen auch andere Immunreaktionen in der frühen und mittleren Schwangerschaft später zu Entwicklungs- und Verhaltensstörungen beim Kind führen können.

Dabei reicht es offenbar aus, wenn die Herpes-Viren nur latent vorhanden sind, ohne dass akute Symptome wie Genitalbläschen bei der schwangeren Frau auftreten. In der Studie war die Herpes-Infektion bei 88 Prozent der infizierten Teilnehmerinnen zum Zeitpunkt der Blutprobe symptomlos, wie die Forscher berichten.

„Bisher sind die Ursachen der meisten Autismusfälle unbekannt“, sagt Koautor Ian Lipkin von der Columbia University. „Aber unsere Studie spricht dafür, dass Entzündungen und Immunreaktionen zum Autismus-Risiko beitragen – und dass Herpes simplex 2 einer der Erreger ist, die solche Effekte auslösen.“ Weitere Forschung sei nun nötig, um herauszufinden, ob beispielsweise ein systematisches Screening oder eine Unterdrückung der Herpes-Infektion während er Schwangerschaft sinnvoll sein könnten. (mSphere, 2017)

(Columbia University’s Mailman School of Public Health, 23.02.2017 – NPO)

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