Biotechnologie

Menschliche Zellen machen Mäuse schlauer

Eingepflanzte Hilfszellen unseres Gehirns verhelfen Mäusen zu geistigen Höhenflügen

Labormaus: schlauer durch menschliche Zellen © Rama / CC-by-sa 2.0 fr

Was vor einigen Jahren noch pure Fantasie – und Horrorvorstellung – war, ist jetzt Realität: US-Forscher haben Mäuse gezüchtet, die menschliche Zellen im Gehirn tragen und die deshalb tatsächlich schlauer sind als ihre normalen Artgenossen. Sie lernen schneller und finden problemlos den Weg durch Labyrinthe. Die humanen Zellen hätten die Hirnfunktionen der chimären Mäuse erweitert und die Tiere lernfähiger gemacht, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Cell Stem Cell“. In ethischer Hinsicht allerdings ist dieses Experiment ein sehr zweifelhafter Erfolg.

Mäuse, Schafe oder Ratten mit menschlichen Zellen, Geweben und sogar ganzen Organen gibt es in den Labors der Forscher schon längst. Auch geringe Mengen von Gehirnzellen wurden Mäusen schon implantiert, beispielsweise im Rahmen der Parkinson- und Alzheimerforschung. Was aber die Forscher der Universitäten von Rochester und Kalifornien nun gemacht haben, ist Neuland – in neurobiologischer und auch in ethischer Hinsicht. Denn erstmals haben sie gezielt Chimären erzeugt, nicht um eine menschliche Krankheit zu erforschen, sondern um zu testen, ob die Zugabe menschlicher Zellen die Hirnfunktion und geistige Leistungsfähigkeit der Tiere verändert.

Menschliche Astrozyten im Mäusegehirn

In ihrer Studie ging es Xiaoning Han von der University von Rochester und seinen Kollegen primär darum herauszufinden, welche Rolle die sogenannten Astrozyten, sternförmige Stütz- und Hüllzellen unserer Nervenzellen für die Hirnfunktion spielen. „Menschliche Astrozyten sind größer und komplexer als die anderer Säugetiere“, erklären die Forscher. Deshalb liege es nahe, dass auch sie am gewaltigen Evolutionssprung zur menschlichen Intelligenz beteiligt sind. Tatsächlich hatten frühere Studien schon darauf hingedeutet, dass die Astrozyten die Signalübertragung der Neuronen beeinflussen und koordinieren – und damit entscheidend zur geistigen Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns beitragen.

Für ihre Studie nutzten die Forscher einen Mäusestamm, dessen Immunsystem keine Abstoßungsreaktion gegen menschliche – und damit körperfremde – Zellen auslöst. Neugeborenen Mäusen dieses Stammes spritzten sie eine Lösung mit Vorläuferzellen menschlicher Astrozyten ins Gehirn und ließen sie ganz normal weiter aufwachsen. In dieser Zeit entwickelten sich die Zellen im Gehirn der Tiere weiter und bildeten menschliche Astrozyten aus, die sich – wie im menschlichen Gehirn – um die Nervenzellen der Mäuse legten. Tests an entnommenem Gewebe zeigten, dass fremde Astrozyten und Mäuseneuronen genauso miteinander kommunizierten, wie es Zellen der gleichen Art tun würden. Die Signale der Neuronen wurden aber durch die menschlichen Hüllzellen deutlich verstärkt, wie die Forscher berichten.

Menschliche Astrocyte in Kultur © Bruno Pascal / CC-by-sa 3.0

Chimären lernten schneller und nachhaltiger

Wie aber wirkte sich diese Manipulation auf die Mäuse und ihr Verhalten aus? Um das zu testen, ließen die Forscher normale und chimärische Mäuse verschiedene Lerntests absolvieren. Sie prüften, wie gut sich die Tiere den Weg durch ein Labyrinth oder die Position eines Objekts im Käfig merken konnten und wie schnell sie lernten, unangenehme Reize zu meiden.

„Die Mäuse mit den menschlichen Zellen lernten schneller – sowohl durch Konditionierung als auch bei zielgerichteten Aufgaben“, berichten die Forscher. Das zeige, dass sich die menschlichen Astrozyten nicht nur im Aussehen, sondern auch in ihrer Funktion von denen der Mäuse unterscheiden. „Die Evolution des menschlichen Bewusstseins geht daher höchstwahrscheinlich auch auf die Weiterentwicklung dieser Beizellen des Gehirns zurück“, konstatieren Han und seine Kollegen.

Ethische Grenze überschritten?

Unabhängig von den Zielen der Forscher weckt das Experiment auch ethische Fragen. Denn schon seit langem ist umstritten, bis zu welchem Grad ein Mensch-Tier-Mischwesen menschlich sein darf. „In der Vergangenheit waren Chimären aber meist Tiere, die wir mit einem Organ konstruiert haben, das scheinbar nicht so wichtig war: Haut, ein Stück des Herzens, Krebszellen. Jetzt aber kommen wir zum Kern der Sache, dem Gehirn“, erklärte der Biotech-Pionier Irving Weissman von der Stanford University vor einigen Jahren. Er hatte bereits 2005 für Aufsehen gesorgt, weil er Mäuse mit komplett menschlichem Gehirn züchten wollte – was aber bisher nicht passiert ist.

Ab wann ist eine solche Chimäre noch ein Tier und ab wann ein Mensch? Und wie intelligent muss es werden, um als Persönlichkeit und vielleicht sogar als Person zu gelten? Solche Fragen stellen sich unwillkürlich, wenn es um Experimente wie die von Han und seinen Kollegen geht. Bei den Mäusen ist nach Ansicht der meisten Neurobiologen allerdings wohl nicht zu befürchten, dass sie eines Tages den Experimentator mit Namen ansprechen oder S.O.S.-Zeichen in die Käfigstreu zeichnen – ihr Gehirn ist einfach zu klein für so komplexe Leistungen.

Dennoch haben die Forscher mit ihren Experiment bereits einen bioethischen Stopppunkt überschritten, den Hank Greely, Bioethik-Beauftragter der Stanford-University, vor einigen Jahren vorschlug: „Tötet die Mäuse vor der Geburt und untersucht ihr Gehirn. Wenn ihr dort irgendetwas findet, das nicht wie die normale Struktur eines Mäusehirns aussieht, stoppt das Experiment. (…) Wenn alles normal aussieht, lasst die Mäuse geboren werden und beobachtet ihr Verhalten. Wenn irgendetwas nicht-mäuseähnliches im Verhalten oder Gehirn sichtbar wird, stoppt das Experiment und geht an die Öffentlichkeit.“ (Cell Stem Cell, 2013; doi: 10.1016/j.stem.2012.12.015)

(Cell Stem Cell, 08.03.2013 – NPO)

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