Medizintechnik

Mimik trifft Algorithmen

Verbesserte Gesichtschirurgie

Operative Eingriffe am Gesicht und deren Auswirkungen auf die menschliche Mimik können in Zukunft besser vorhergesagt werden. Hierzu hat ein Mathematiker der Freien Universität Berlin ein computergestütztes Simulationsmodell entwickelt.

Bewusstes und unbewusstes Mienenspiel ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Kommunikation. Personen, deren mimisches Ausdrucksvermögen durch Krankheit oder Unfall reduziert ist, können weniger soziale Informationen übermitteln. Evgeny Gladilin ist es an der Freien Universität Berlin gelungen, ein numerisches Modell des Gesichtsweichgewebes zu entwickeln, mit dem nicht nur die Vorhersage des postoperativen Erscheinungsbildes des Patienten, sondern auch seiner individuellen Mimik möglich ist. Dabei können einzelne Muskelbewegungen und sogar komplexe Gesichtsausdrücke vorausberechnet werden. Mit diesem Verfahren kann die dreidimensionale OP-Planung und die Vorhersagbarkeit chirurgischer Eingriffe optimiert werden.

Gesichtsweichgewebe besteht aus verschiedenen Komponenten (vor allem Zellen, intrazellulärer Matrix, Fasern), deren mechanische Eigenschaften sich einerseits untereinander, andererseits in jedem Gesichtspunkt unterscheiden. Ausschlaggebend für eine Modellierung sind die räumliche Verteilung der unterschiedlichen Geweben und die Ausrichtung der Faserstrukturen, vor allem die von Kollagen und Elastin. Dieser komplexe „Materialmix“ kann aber näherungsweise durch ein vereinfachtes Multilayer Modell, bestehend aus Haut-, Fett-, Knorpel- und Muskelschichten unterschiedlicher Steifigkeiten, beschrieben werden.

Anatomie im Rechner

Der erste Schritt in Richtung eines virtuellen Patienten bestand in der realistischen Abbildung seiner Anatomie im Rechner. Zu diesem Zweck wurde aus Daten der Computertomografie mit Hilfe des am Zuse Institut Berlin (ZIB) entwickelten Visualisierungsprogramms AMIRA ein dreidimensionales geometrisches Modell erstellt. Dieses Modell ist ein Gitter mit mehreren hunderttausend bis mehreren Millionen Tetraedern (von vier Dreiecken begrenzte Raumelemente). Zur voraussagenden Berechnung des Weichgewebes wurde ein biomechanisches (nichtlinear elastisches) Modell entwickelt, mit dem sowohl statische Verformung des Gesichtsgewebes bei Knochen umstellenden Operationen (zum Beispiel Verkürzung oder Verlängerung des Unterkiefers) als auch die durch die Muskelkontraktionen ausgelösten Gesichtsmimiken simuliert werden konnten.

Das auf der so genannten Finite Elemente Methode basierte numerische Modell wurde in mehreren Studien erfolgreich getestet, bei denen das postoperative Erscheinungsbild von insgesamt elf Patienten vorausgesagt wurde. Die Kooperationspartner des am ZIB angesiedelten „Computer Assisted Surgery“-Projektes, in dessen Rahmen diese Studien durchgeführt wurden, sind zur Zeit das University Hospital Basel (Schweiz), Karolinska Hospital (Stockholm, Schweden) und FB Mundkiefer-Gesichtschirurgie der Universität Leipzig und Universität Erlangen-Nürnberg.

(idw – Freie Universität Berlin, 16.02.2004 – AHE)

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