Neuer Therapieansatz: Eine Kombinationsbehandlung aus antiviralen Medikamenten und der Genschere CRISPR/Cas9 könnte HIV-Infektionen heilen. Wie eine erste Studie mit Mäusen nahelegt, lässt sich mithilfe dieses gentechnischen Werkzeugs Virus-DNA aus den Körperzellen Infizierter entfernen. Damit schafft die Genschere das, was mit gängigen Virostatika nicht möglich ist – und scheint in Kombination mit diesen Mitteln den Erreger vollständig beseitigen zu können.
Mithilfe antiviraler Medikamente können HIV-Patienten heute ein weitestgehend normales Leben führen – absetzen dürfen sie die Mittel allerdings nie. Der Grund: Gängige Virostatika vermögen die Virenlast im Körper zwar deutlich zu senken. Doch sie eliminieren den Erreger nicht vollständig. „Das HI-Virus integriert seine eigene DNA in das Genom der Immunzellen des Wirts. Es kann so in einer latenten Form überdauern und jederzeit reaktiviert werden“, erklären Prasanta Dash von der University of Nebraska in Omaha und seine Kollegen.
Medikamente plus CRISPR/Cas9
Um die Infektion zu heilen, müssten daher alle infizierten Zellen eliminiert oder die eingeschleuste, provirale DNA aus ihnen entfernt werden. Wie aber kann das gelingen? Die Forscher um Dash hatten die Idee, dies mit der Genschere CRISPR/Cas9 zu versuchen – dem neuen Universalwerkzeug der Gentechniker. Ihren Ansatz testeten sie an HIV-infizierten Mäusen, die dank einer Genmanipulation menschliche T-Zellen besaßen.
In einem ersten Schritt wurden die Nager mit speziellen antiviralen Medikamenten behandelt, die ihre Wirkstoffe zeitgesteuert freisetzen und die Vermehrung des Virus für lange Zeit effektiv hemmen können. Auf diese Vorbehandlung folgte dann der Einsatz der Genschere. Sie schnitt die fremde DNA aus den infizierten Zellen heraus und eliminierte dadurch auch die letzten Spuren des Erregers. Dem Team zufolge war es das erste Mal, dass mit diesem Werkzeug HIV-DNA aus den Zellen eines lebenden Tieres entfernt wurde.
Nicht mehr nachweisbar
Doch wie gut hatte diese Behandlung funktioniert? Wie die Wissenschaftler berichten, war das HI-Virus bei immerhin fünf von 13 Mäusen nach dem Ende der Therapie nicht mehr nachweisbar. Auch fünf Wochen später konnte der Erreger weder im Blut, noch im Lymphgewebe oder im Knochenmark der Tiere detektiert werden. Und als die Forscher Immunzellen dieser Nager auf nicht infizierte Artgenossen übertrugen, passierte nichts.
Mäuse, die nur mit Medikamenten oder nur mit der Genschere behandelt worden waren, hatten dagegen weiterhin HI-Viren in messbaren Mengen in ihrem Körper. „Unsere Arbeit zeigt, dass es für eine potenzielle Heilung beides braucht – CRISPR/Cas9 und Virusunterdrückung“, konstatiert Mitautor Kamel Khalili von der Temple University in Philadelphia.
„Eliminierung ist machbar“
Noch ist zwar unklar, warum nicht alle Mäuse von der Erkrankung befreit werden konnten – nichtsdestotrotz halten Dash und seine Kollegen ihre Ergebnisse für vielversprechend: „Wir liefern den Beweis, dass eine permanente Viruseliminierung machbar ist. Dies ist ein erster wichtiger Schritt auf einem noch langen Weg.“
Weitere Untersuchungen müssen nun zeigen, wie effektiv und sicher die Methode ist und ob sie eines Tages womöglich auch bei Menschen eingesetzt werden kann. „Wir werden nun Versuche mit nicht-menschlichen Primaten und klinische Studien mit menschlichen Patienten anstreben – möglicherweise bereits innerhalb eines Jahres“, sagt Khalili. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-10366-y)
Quelle: Nature Press/ Temple University Health System