Medizin

Mitochondrien sind überraschend dynamisch

Innenmembranen der zellulären Kraftwerke ändern ständig ihre Struktur

Mitochondrien
Mitochondrien haben einen überraschend dynamischen Aufbau. © CIPhotos/ iStock.com

Ständig im Wandel: Forscher haben eine spannende Eigenschaft der Mitochondrien aufgedeckt – der Kraftwerke unserer Zellen. Ihre Experimente zeigen: Die Innenmembranen dieser Zellkraftwerke ändern alle paar Sekunden ihre Struktur. Auf diese Weise können sie sich offenbar dynamisch an die energetischen Anforderungen in der Zelle anpassen, wie das Team berichtet.

Als Kraftwerke und Energiespeicher sind die Mitochondrien essentielle Bestandteile nahezu aller Zellen von Tieren, Pflanzen und Pilzen. Sie produzieren mit Adenosintriphosphat (ATP) den universellen Energieträger des Zellstoffwechsels – und sorgen bei Forschern immer wieder für Überraschungen.

So hat sich erst kürzlich gezeigt, dass Mitochondrien offenbar ähnlich wie die Batteriezellen in modernen Akkus für Elektroautos funktionieren. Demnach ist jede der „Cristae“ genannten Einfaltungen ihrer Innenmembran elektrisch unabhängig und bildet eine autonome Batterie. Das macht die Zellkraftwerke unempfindlicher und leistungsfähiger.

Blick auf die Cristae

Arun Kumar Kondadi von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und seine Kollegen haben nun eine weitere spannende Eigenschaft der für die ATP-Synthese wichtigen Cristae aufgedeckt: Sie ändern offenbar ständig ihre Struktur. Bekannt war bereits, dass sich die Innenmembran der Mitochondrien unter bestimmten Bedingungen verformen kann. Wie und wie häufig dies in lebenden Zellen passiert, blieb jedoch unerforscht.

Um auch dieses Geheimnis zu lüften, nahmen die Wissenschaftler die Mitochondrien und ihre einzelnen Bestandteile mithilfe unterschiedlicher bildgebender Verfahren ganz genau unter die Lupe. Dabei stellten sie fest: Die Cristae in menschlichen Zellen durchlaufen alle paar Sekunden einen dynamischen Wandel.

Schnelle Anpassung

So werden zum Beispiel an sogenannten Junctions immer wieder bestimmte Teile der Membran abgeschnürt und wieder mit ihr verbunden. „Cristae können nach Membranabschnürungen kurzzeitig als isolierte Vesikel innerhalb der Mitochondrien bestehen und dann erneut mit der Innenmembran refusionieren“, berichtet Kondadis Kollege Andreas Reichert.

Diese strukturellen Umbauten gehen mit Änderungen des Membranpotenzials innerhalb der Cristae einher. Die Forscher vermuten daher, dass sich die Mitochondrien auf diese Weise an die wechselnden energetischen Anforderungen in der Zelle anpassen – und das extrem schnell. Dadurch werden diese Kraftwerke unserer Zellen wahrscheinlich noch leistungsfähiger.

Wichtiger Proteinkomplex

Doch welche Elemente der Mitochondrien ermöglichen diese Dynamik überhaupt? Weitere Untersuchungen legten nahe, dass dafür ein Proteinkomplex namens MICOS notwendig ist. Das Spannende: Fehlfunktionen dieses MICOS-Komplexes können zu diversen schweren Erkrankungen führen – darunter Parkinson und eine Form der mitochondrialen Enzephalopathie. Damit ist dies ein weiterer wichtiger Baustein, um die Funktion dieses Komplexes und seine Rolle für gesundheitliche Probleme besser zu verstehen.

Weitere Experimente sollen in Zukunft genauere Einblicke in die dynamischen Veränderungen der Mitochondrien liefern. „Künftige Forschung wird uns mehr über die Regulierung, Physiologie und Pathophysiologie dieser neu enthüllten Prozesse innerhalb der Mitochondrien verraten“, so das Fazit der Wissenschaftler. (EMBO Reports, 2020; doi: 10.15252/embr.201949776)

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

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