Wenn Schüler gemobbt werden, können die psychischen Folgen bis ins Erwachsenenalter hineinreichen. Aber nicht nur das: Kinder und Jugendliche, die von Gleichaltrigen schikaniert werden, tragen sogar schlimmere psychologische Schäden davon, als solche, die von Erwachsenen misshandelt wurden, wie eine britische Studie nun ergab.
Eines von drei Kindern wird von seinen Mitschülern misshandelt. Dieses Mobbing trifft keineswegs nur Einzelgänger und Außenseiter, wie Studien belegen. Klar ist aber inzwischen, dass es anhaltende gesundheitliche Schäden in den Opfern verursachen kann und sogar Spuren im Erbgut hinterlässt.
Langzeitschäden durch Kindheitstraumata im Vergleich
Auch Kinder, die durch ihre Eltern oder andere Erwachsene misshandelt werden, sei es körperlich oder emotional, tragen psychische Schäden davon, die sie oft ihr ganzes Leben lang begleiten. Dieter Wolke von der University of Warwick und seine Kollegen haben jetzt zum ersten Mal die Langzeitschäden durch diese beiden Arten von Kindheitstraumata – Misshandlung und Mobbing – verglichen. Insbesondere untersuchten sie die Häufigkeit von Angstattacken, Depressionen und Suizidtendenzen bei den Opfern.
Die Wissenschaftler konnten dafür auf zwei Langzeitstudien zurückgreifen, die britische Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC) und die amerikanischen Great Smoky Mountain Studies (GSMS). Sie enthielten die Ergebnisse der Befragungen von 5.500 jungen Erwachsenen über Misshandlungen durch Erwachsene und Gleichaltrige während verschiedener Phasen der Kindheit und psychologische Gutachten der Teilnehmer im Alter von 18 und 19 bis 25.
Psychische Folgen bei Mobbing häufiger
Das Ergebnis: „Menschen die als Kinder einem Mobbing ausgesetzt waren, entwickelten mit größerer Wahrscheinlichkeit psychologische Probleme als solche die von Erwachsenen misshandelt wurden“, berichtet Wolke. Als junge Erwachsene litten sie fünfmal so häufig unter Angstattacken. Sie waren außerdem beinahe doppelt so depressiv, und neigten dazu, sich selbst Verletzungen zuzufügen.
Diese Langzeitfolgen sind bei gemobbten Kindern selbst dann noch häufiger, wenn die Forscher andere Faktoren wie die familiäre Situation mit berücksichtigten. Bei den knapp zehn Prozent der Studienteilnehmer, die als Kinder sowohl gemobbt als auch misshandelt wurden, stieg das Risiko für psychische Probleme, Angsterkrankungen und Depressionen entsprechend an.
Kein harmloser Initiationsritus
„Mobbing ist kein harmloser Initiationssritus oder ein unvermeidlicher Bestandteil des Erwachsenwerdens“, betont Wolke. „Es ist wichtig, dass Schulen, Gesundheitsorganisationen, und andere staatliche Institutionen zusammenarbeiten, um Mobbing und seine schädlichen Auswirkungen zu einzudämmen.“ In den beiden Langzeitstudien lag der Anteil der gemobbten Kinder immerhin zwischen 16 und 30 Prozent – das Problem betrifft daher einen nicht geringen Anteil von Kindern.
“Bis jetzt haben sich Regierungen ihre Bemühungen und Ressourcen auf die Behandlung der Kinder in ihren Familien konzentriert, anstatt auf Mobbing durch Gleichaltrige“ sagt Wolke. „Doch eines von drei Kindern – weltweit – klagt über Mobbing. Und unsere Studie zeigt dass diese Kinder gleiche oder schlimmere psychologische Probleme in ihrem späteren Leben haben. Es muss mehr getan werden, um dieses Ungleichgewicht zu beheben.“ (The Lancet, 2015; doi: 10.1016/S2215-0366(15)00165-0)
(The Lancet, 28.04.2015 – RPA)