Effektive Tarnung: Forscher haben herausgefunden, warum unser Immunsystem häufig keine Chance gegen die berüchtigten MRSA-Erreger hat: Viele dieser Bakterien besitzen eine Art Tarnkappe. Dabei handelt es sich um ein Protein, das die Oberfläche der Keime so verändert, dass sie vom körpereigenen Abwehrsystem nicht mehr erkannt werden können. Diesen nützlichen Schutz haben die MRSA-Bakterien interessanterweise von ihren Feinden erworben, wie das Team im Fachmagazin „Nature“ berichtet.
Infektionen mit dem Bakterium Staphylococcus aureus verursachen weltweit zahlreiche Todesfälle. Besonders gefährlich sind dabei resistente Stämme des Erregers, kurz MRSA genannt. Diese Keime tauchen vielfach in Krankenhäusern, aber auch zunehmend in ganz normalen Haushalten auf.
Das Problem: Vor allem immunschwache Menschen schaffen es oftmals nicht, die Bakterien mithilfe ihrer körpereignen Abwehrmechanismen zu bekämpfen. Sie werden dann ernsthaft krank – und die Resistenz der Keime gegen gängige Medikamente macht die Behandlung solcher Infektionen kompliziert.
Veränderte Oberfläche
Um in Zukunft effektivere Therapien gegen MRSA-Erreger entwickeln zu können, versuchen Wissenschaftler die Funktionsweise dieser Bakterien besser zu verstehen. David Gerlach von der Universität Tübingen und seine Kollegen haben in diesem Zusammenhang nun eine interessante Entdeckung gemacht: Sie fanden heraus, dass sich die Keime für das Immunsystem unsichtbar machen können.
Viele der besonders häufigen MRSA-Erreger besitzen demnach eine Art Tarnkappe. Konkret handelt es sich dabei um ein bisher unbekanntes Protein auf ihrer Oberfläche, das das Forscherteam TarP nannte. „TarP verändert das Muster von Zuckermolekülen auf der Erregeroberfläche“, erklärt Gerlachs Kollege Andreas Peschel. Dies führe dazu, dass das Immunsystem den Erreger nicht mehr erkenne.
Keine Antigene
Als Folge kann das körpereigene Abwehrsystem keine Antikörper gegen das wichtigste MRSA-Antigen, die Teichonsäure, bilden. Damit verliert es seine wichtigste Waffe gegen den Eindringling. Wie sich dieser Verlust auswirkt, zeigten Experimente mit menschlichen Immunzellen: Sie bekämpften Bakterienstämme ohne TarP-Protein deutlich effektiver als solche mit dieser Tarnkappe.
„Die Entdeckung von TarP kam für uns völlig überraschend. Sie erklärt sehr gut, warum das Immunsystem oft keine Chance gegen MRSA hat“, konstatiert Mitautor Thilo Stehle. Doch wie haben die Keime dieses nützliche Merkmal überhaupt erworben? Weitere Untersuchungen offenbarten, dass die Tarnkappe das Ergebnis einer Auseinandersetzung zwischen den Krankheitserregern und ihren natürlichen Feinden, den sogenannten Phagen, ist. Phagen sind Viren, die Bakterien befallen und diese als Wirtszelle nutzen.
Das Werk von Phagen
Im Fall von Staphylococcus aureus haben Phagen ihren Wirt offenbar mithilfe des TarP-Proteins umprogrammiert und so seine Oberfläche verändert, wie die Forscher berichten. „Die Entdeckung, dass Phagen beeinflussen können, ob eine harmlose Kolonisierung hin zu einer krankmachenden Infektion kippt, könnte in Zukunft für die Therapie von MRSA-Infektionen eine entscheidende Rolle spielen“, kommentieren die nicht an der Studie beteiligten Mikrobiologen Michael Gilmore und Ona Miller von der Harvard Medical School in Boston.
Dies sehen auch die Studienautoren selbst so: „Die nun vorliegenden Ergebnisse werden uns helfen, bessere Therapien und Impfstoffe gegen den Erreger zu entwickeln“, sagt Stehle. So lassen sich womöglich Wirkstoffe finden, die TarP blockieren und die Erreger wieder für das Immunsystem sichtbar machen. (Nature, 2018; doi: 10.1038/s41586-018-0730-x)
(Universität Tübingen, 22.11.2018 – DAL)