Dass die Bakterien in Muttermilch die Gesundheit des Kindes fördern, ist bekannt. Neu ist aber, dass sich die mikrobielle Vielfalt darin im Laufe der Stillzeit erheblich verändert, wie Forscher jetzt bei sechs Monate lang stillenden Müttern festgestellt haben. Die sich verändernde mikrobielle Zusammensetzung scheint dabei unterschiedliche Schutzfunktionen zu erfüllen – etwa wie eine „Auffrischungsimpfung“ für die Immunität und den Stoffwechsel des Säuglings.
Muttermilch ist für Neugeborene eine überlebenswichtige Nährstoffquelle. Denn der reichhaltige Cocktail aus Proteinen und gesunden Fetten enthält auch Botenstoffe, Antikörper und Bakterien, die das Immunsystem des Kindes stärken, gegen Allergien schützen, die Darmflora prägen und die Hirnentwicklung fördern können. Ob und wie lange ein Kind gestillt wird, ist für seine spätere Gesundheit enorm wichtig. Es gilt: Je länger, desto besser.
Verändern sich die Bakterien?
Ob sich die Zusammensetzung der Muttermilch mit der Zeit verändert, haben nun erstmals Forscher um Emmanuel Gonzalez von der McGill University in Montreal erforscht. Dabei wollten sie feststellen, welche Bakterienarten in der Milch innerhalb von einer eher unüblichen sechsmonatigen Stillzeit enthalten sind und ihre Funktionen ergründen. „Diese längere Stillzeit ermöglicht es uns, wichtige Veränderungen in den Bakterien zu beobachten, die den Säuglingen im Laufe der Zeit zugeführt werden, was sich auf die langfristige Gesundheit auswirken könnte“, erklärt Gonzalez.
Da die meisten Mütter in den Industrieländern weniger als sechs Monate stillen, wählte das Forscherteam rund 75 Frauen aus acht Regionen in Guatemala, die vergleichsweise lange stillen. Dabei verglichen die Wissenschaftler mit Hilfe einer hochauflösenden Bildgebungstechnologie das Mikrobiom in Milchproben der frühen Stillzeit etwa innerhalb des ersten Monats mit Proben vom vierten bis zum sechsten Stillmonat. Die Bakterien identifizierten sie mittels RNA-Gensequenzierung.
Wechselnde Artzusammensetzung
Das Ergebnis: Generell erwies sich das mikrobielle Ökosystem in der untersuchten Muttermilch als komplexer als bisher angenommen. Die Forscher identifizierten insgesamt rund 1.500 genetisch verschiedene Bakterien, von denen sie nur knapp 300 einer bisher bekannten Spezies zuordnen konnten. Die am häufigsten vorkommenden Arten in allen Proben waren Streptococcus salivarius und Novosphingobium clariflavum.
Auffallend war jedoch, dass rund 140 der klassifizierten Bakterien entweder in der frühen oder späten Stillzeit signifikant häufiger vorkamen. So zeigte sich zum Beispiel, dass in der Muttermilch des ersten Stillmonats vermehrt Staphylococcus- und Streptococcus-Arten enthalten waren. In der Milch der späten Laktation entdeckten Gonzalez und sein Team hingegen deutlich mehr Sphingobium- und Pseudomonas-Spezies.
Für Darmflora und gegen Schadstoffe
Auf das Kind haben diese unterschiedlichen Mikroben wahrscheinlich verschiedene Effekte: Laut der Forscher gelten die Staphylococcus-Spezies als Pioniere der Darmflora von Säuglingen, die vermutlich die Kolonisierung durch schädliche Bakterien reduzieren können. Ähnliches gilt für zwei der Streptococcus-Arten, die innerhalb der ersten Tage nach der Geburt als Bewohner des oralen Mikrobioms von Säuglingen identifiziert wurden.
Die in Muttermilch bisher unbekannte Spezies Janthinobacterium agaricidamnosum könnte eine wichtige Abwehr gegen Pilzerreger sein. Die erst am Ende der Stillzeit auftretenden Sphingobium-Spezies werden hingegen mit dem Abbau von krebserregenden Substanzen verbunden. Und Arten der Gattung Pseudomonas sind als Schadstoffe abbauende Bodenbewohner bekannt. Eine ähnliche Funktion vermuten die Forscher für diese und einige weitere Bakterienarten auch in der Muttermilch.
Muttermilch global erforschen
„Diese deutlichen Veränderungen deuten auf eine aktive Umgestaltung des Milchmikrobioms während der Laktation hin, die zur Gesundheit des Säuglings beitragen könnte“, resümieren Gonzalez und seine Kollegen.
„Die meisten Studien zum menschlichen Milchmikrobiom wurden mit Müttern aus Ländern mit hohem Einkommen durchgeführt, was ein unvollständiges Bild der wichtigen Bakterien ergibt, die während der frühen Entwicklung an Säuglinge weitergegeben werden“, betont Gonzalez Kollegin Kristine Koski. Deshalb soll die Muttermilch künftig umfassender in unterrepräsentierten Gemeinschaften erforscht und auf bisher unbekannte Bakterienarten untersucht werden. (Frontiers in Microbiology, 2021, doi: 10.3389/fmicb.2021.557180)
Quelle: McGill University