Molekularer Jungbrunnen: Ein Gen des Nacktmulls kann auch anderen Säugetieren zur Langlebigkeit verhelfen, wie ein Experiment belegt. Dafür übertrugen Forschende das Nacktmull- Gen für hochmolekulare Hyaluronsäure in das Erbgut von Mäusen – woraufhin diese länger lebten, weniger Krebstumore und Entzündungen entwickelten und eine bessere Darmgesundheit behielten als normal. Nach Ansicht des Teams könnten Wirkstoffe, die am Hyaluron-Gen ansetzen, möglicherweise auch dem Menschen zu einem längeren, gesünderen Leben verhelfen.
Nacktmulle sind Überlebenskünstler: Die haarlosen, unterirdisch lebenden Nager werden fast nie krank, spüren kaum Schmerz, können Sauerstoffmangel problemlos ertragen und auch Krebstumore plagen sie nicht. Außerdem werden die etwa maus- bis rattengroßen Tiere bis zu 40 Jahre alt – sie leben damit mehr als zehnmal so lang wie gleichgroße Nagetierverwandte.
„Schwere“ Hyaluronsäure als Jungbrunnen?
Was hinter der Langlebigkeit und enormen Widerstandsfähigkeit des Nacktmulls steckt, wird schon seit Jahren intensiv erforscht. Denn die nackten Nager könnten wertvolle Ansatzpunkte auch für die Verbesserung der menschlichen Gesundheit bieten. Als einen möglichen Faktor für die Langlebigkeit der Nacktmulle haben Forschende vor einigen Jahren eine spezielle Form der Hyaluronsäure identifiziert, einem Molekül, das in den Zwischenzellräumen unserer Gewebe und in der Gelenksflüssigkeit vorkommt.
Während wir Menschen eher kurzkettige, leichte Versionen der aus wiederholten Zuckermolekülen aufgebauten Hyaluronsäure besitzen, ist die Version der Nacktmulle besonders umfangreich und schwer. Das Interessante daran: „Niedermolekulare Hyaluronsäure ist mit vermehrten Entzündungen, Gewebeschäden und Krebsmetastasen verknüpft, während hochmolekulare Hyaluronsäure (HMM-HA) die Gewebe stabilisiert und anti-entzündliche und antioxidative Eigenschaften zeigt“, erklären Zhihui Zhang von der University of Rochester in New York und ihre Kollegen.
Anti-Aging-Effekt auf Mäuse
Ausgehend von dieser Erkenntnis haben Zhang und ihr Team nun erstmals untersucht, ob das Nacktmull-Gen für die hochmolekulare Form der Hyaluronsäure auch anderen Tieren ein längeres Leben und eine bessere Gesundheit verleihen kann. Dafür schleusten sie das für die Produktion dieser Hyaluronsäure zuständige Hyaluronan-Synthase-2-Gen (Has2) in das Erbgut von jungen Mäusen ein. Tests ergaben, dass diese Tiere daraufhin in ihren Geweben vermehrt die nacktmulltypische Hyaluronsäure produzierten.
Als die mit diesem „Jungbrunnen“-Gen versehenen Mäuse älter wurden, zeigten sie deutlich Unterschiede zu ihren nicht mit dem Nacktmullgen ausgestatteten Artgenossen: Sie lebten im Mittel rund 4,4 Prozent länger, einige Tiere wurden sogar 12,2 Prozent älter als für Mäuse üblich. Parallel dazu war waren die genveränderten Mäuse biologisch jünger als ihre Altersgenossen, wie die Forschenden anhand der epigenetischen Anlagerungen und der Genaktivität dieser Mäuse feststellten.
„Unsere Ergebnisse deuten daraufhin, dass die Expression des Nacktmull-Has2-Gens in Mäusen sowohl die Lebensdauer verlängert als auch Transkriptomveränderungen für das Anti-Aging bewirkt“, berichten Zhang und ihr Team.
Weniger Tumore und Entzündungen
Der Transfer des Nacktmull-Gens förderte auch die Gesundheit der Mäuse: Während rund 86 Prozent der Kontrolltiere beim Älterwerden Krebstumore entwickelten, waren es bei den Mäusen mit dem Nacktmull-Gen nur 46 Prozent. Ihre Zellen zeigten zudem eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber aggressiven Oxidantien wie Wasserstoffperoxid, wie Tests ergaben. Außerdem entwickelten die Gewebe dieser Mäuse weniger Entzündungen und zelluläre Alterungserscheinungen.
„Dies demonstriert, dass das Nacktmull-Has2-Gen auch die gesunde Lebensspanne der Mäuse verlängert, indem es altersbedingte Entzündungen dämpft“, erklären die Forschenden. „Dies wird unter anderem erreicht, indem es die Produktion entzündungsfördernder Faktoren durch Immunzellen unterdrückt und den Erhalt von Stammzellen in den Geweben der Darmwand fördert.“
Auch auf den Menschen übertragbar?
Nach Ansicht der Wissenschaftler eröffnen diese Ergebnisse wertvolle Einblicke in den „Jungbrunnen“ der Nacktmulle und demonstrieren gleichzeitig, dass sich dieser Effekt auch auf andere Tierarten übertragen lässt – und möglicherweise auch auf den Menschen. „Unsere Studie liefert den Machbarkeitsbeweis dafür, dass die Langlebigkeitsmechanismen exportiert werden können und dann auch die Lebensspannen anderer Säugetiere verlängern“, sagt Seniorautorin Vera Gorbunova von der University of Rochester.
Das Team sucht nun nach Wirkstoffen, die den Anti-Aging-Effekt des Nacktmull-Gens auch ohne Gentransfer bewirken könnten. Dies könnte unter anderem dadurch erreicht werden, dass sie die Produktion der hochmolekularen Hyaluronsäure beim Menschen anregen oder ihren Abbau verhindern. „Wir haben bereits einige Moleküle identifiziert, die die Hyaluron-Degradierung verlangsamen, und testen diese bereits in präklinischen Studien“, berichtet Gorbunova. „Unser nächstes Ziel ist es dann, die Vorteile des Nacktmull-Mechanismus auf den Menschen zu übertragen.“ (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-06463-0)
Quelle: University of Rochester