Nährstoffe gegen den geistigen Abbau: Ein Trinkjoghurt mit einer speziellen Kombination aus Nährstoffen könnte das Fortschreiten einer Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium verlangsamen. Bei Patienten, die über drei Jahre hinweg täglich einen abgestimmten Nährstoff-Cocktail erhielten, verringerte sich das Gehirnvolumen weniger als bei der Kontrollgruppe und auch ihre alltäglichen Fähigkeiten blieben besser. Die Demenz verhindern konnte der Trinkjoghurt aber nicht.
Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen. Derzeit leiden etwa 47 Millionen Menschen weltweit an Alzheimer oder verwandten Demenzformen. Eine Heilung gibt es bislang nicht und Forschungen zu medikamentösen Therapien verliefen überwiegend enttäuschend – auch wenn es immer wieder vielversprechende Ansätze gibt. So haben Forscher unter anderem Indizien dafür gefunden, dass bestimmte Spurenelemente und Nährstoffe das Fortschreiten der Erkrankung im Frühstadium verlangsamen können.
Bereits 2017 hatte das Forschungskonsortium LipiDiDiet um Hilkka Soininen von der Universität Ostfinnland die Wirkung eines solchen Nährstoff-Cocktails in Form eines Trinkjoghurts über zwei Jahre hinweg getestet. Dabei zeigte sich, dass sich der Zustand der Probanden im Vergleich zur Kontrollgruppe in Bezug auf alltägliche Fähigkeiten und das Hirnvolumen leicht verbessert hatte.
Beobachtung über drei Jahre hinweg
Nun hat das gleiche Forschungsteam eine ergänzende Auswertung nach drei Jahren vorgelegt. „Erst jetzt nach drei Jahren Behandlungszeit offenbarten sich weitgehende Unterschiede zwischen den Studienteilnehmern und der Kontrollgruppe“, sagt Studienleiter Tobias Hartmann von der Universität des Saarlandes.
Für die Studie hatte eine Gruppe der Probanden täglich das Nährstoffgemisch „Fortasyn Connect“ zu sich genommen – ein Trinkjoghurt, der unter anderem mit verschiedenen Vitaminen, den Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) sowie Selen, Cholin und dem Zellbaustein Uridinmonophosphat versetzt ist. Die Vergleichsgruppe bekam ein Joghurtgetränk mit ähnlichem Geschmack, Aussehen und Kaloriengehalt, aber ohne die zugesetzten Nährstoffe. Weder die Patienten noch ihre Ärzte wussten, wer welches Getränk bekam.
Effekte auf Alltagsfähigkeiten und Hirnvolumen
Das Ergebnis nach 36 Monaten der Einnahme: „Bei den Patienten mit dem Nährstoffcocktail schrumpften die Gehirne der von Alzheimer betroffenen Teilnehmer um 20 Prozent weniger als bei der Vergleichsgruppe, der Veränderungsprozess im Gehirn konnte also deutlich verlangsamt werden“, erläutert Hartmann. „Noch wichtiger war, dass die Hirnleistung während der drei Jahre zwischen 40 bis 70 Prozent weniger nachließ als bei den nicht behandelnden Probanden.“
Diese positiven Effekte der Behandlung zeigten sich besonders deutlich bei den Teilnehmern, die in einem sehr frühen Alzheimer-Stadium damit begonnen hatten. „Zudem konnten wir, was uns selbst überraschte, feststellen, dass die Wirkungen im Laufe der Behandlungszeit zunahmen und sich nicht nur im Bezug auf das Gedächtnis, sondern auch auf andere kognitive Bereiche ausweiteten, je länger die Behandlung andauerte“, erklärt Hartmann.
Die Probanden konnten zum Beispiel alltägliche Herausforderungen, wie Rechnungen bezahlen, sich den Weg merken oder auch mit Notfällen umgehen, besser bewältigen als die Kontrollgruppe.
Kleine Datenbasis limitiert Aussagekraft
Wie die Wissensschaftler einräumen, sind ihre Ergebnisse allerdings nur eingeschränkt aussagekräftig. Denn von den 311 Patienten, die ursprünglich an der Studie teilgenommen hatten, wurden nur 81 in die nun vorliegende Datenauswertung einbezogen. Einige der ursprünglichen Teilnehmer wurden aus der Auswertung ausgeschlossen, weil ihre Demenz in der Zwischenzeit medikamentös behandelt werden musste, was die Ergebnisse verzerrt hätte. Andere hatten der weiteren Studienteilnahme nicht zugestimmt, waren verstorben oder aus sonstigen Gründen ausgeschieden. Die Datenbasis ist somit sehr klein.
Finanziert wurde die Studie hauptsächlich aus EU-Geldern sowie zu einem kleineren Anteil vom Lebensmittelkonzern Danone. Dieser vertreibt über eine Tochterfirma den in der Studie untersuchten Trinkjoghurt. Auf Studiendesign und Datenauswertung hatten die Geldgeber keinen Einfluss.
Demenz trotz Nährstoff-Cocktail
Trotz der geringen Datenbasis folgern die Forscher, dass Fortasyn Connect positive Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf haben kann – insbesondere bei früh einsetzender und langfristiger Anwendung. Allerdings schränken sie ein: „Obwohl wir einen deutlichen Nutzen in Hinblick auf kognitive, funktionelle und strukturelle Aspekte beobachten konnten, gab es zwischen den Gruppen keinen Unterschied darin, wie häufig eine Demenz auftrat oder wie viel Zeit bis zur Diagnose verging.“ Das Mittel verringerte demzufolge zwar die Symptome im Frühstadium, konnte die eigentliche Erkrankung aber nicht aufhalten.
In zukünftigen Studien wollen die Forscher untersuchen, inwieweit sich der Nutzen des Nährstoff-Cocktails steigern lässt, wenn er noch früher eingesetzt wird oder mit anderen Interventionen und Medikamenten kombiniert wird. (Alzheimer’s & Dementia, 2020, doi: 10.1002/alz.12172)