Genetik

Naschlust liegt auch in den Genen

Zwillingsstudie identifiziert erbliche Faktoren für bestimmte Muster des Essverhaltens

Naschen
Auch unsere Gene können den Hang zu Naschlust und Frustessen fördern. © apomares, Korchak/ iStock.com

Die Gene sind (mit)schuld: Wer ständig mit Naschlust und dem Drang nach „Frustessen“ zu kämpfen hat, ist möglicherweise genetisch vorbelastet. Denn bestimmte Muster unseres Essverhaltens hängen zu 36 bis 48 Prozent von erblichen Faktoren ab, wie nun eine große Zwillingsstudie enthüllt. Demnach beeinflussen Genvarianten vor allem die Neigung zu unkontrolliertem Naschen und emotionalem Essen und fördern so Übergewicht und Fettablagerungen.

Menschen mit einer Neigung zu Übergewicht fällt es oft besonders schwer, ihre überflüssigen Pfunde loszuwerden und einen gesünderen Lebensstil durchzuhalten. Nicht immer jedoch ist daran ein zu schwacher Wille oder falsche Diät samt Jojo-Effekt schuld. Denn wer zu dick ist, ist häufig auch genetisch vorbelastet – unter anderem durch Gene, die die Fettspeicherung fördern oder das Hungergefühl stärken. Und hat man einmal Übergewicht, kommen epigenetische Faktoren dazu, die die Genaktivität verändern.

Was Zwillinge über erbliche Einflüsse verraten

Eine weitere genetische „Hürde“ haben nun Forscher um Guiomar Masip von der Universität Helsinki entdeckt. Für ihre Studie hatten sie Erbgut, Körpergewicht und Essverhalten von 4.036 Zwillingen im jungen Erwachsenenalter untersucht. Sie wollten wissen, ob es eine genetische Veranlagung gibt, die die Neigung zu unkontrolliertem Naschen, zu Frust- und Trostfuttern sowie zu unregelmäßigem, ungesundem Essen fördert.

Wie stark der erbliche Anteil bei einem Merkmal ist, lässt sich bei Zwillingstudien herausfinden, indem man eineiige mit zweieiigen Zwillingen vergleicht. Weil beide Geschwister in der Regel im gleichen Haushalt aufwachsen, sind sie sehr ähnlichen äußeren Einflüssen ausgesetzt. Eineiige Zwillinge sind aber auch in ihrem Genom identisch. Ist ein Faktor erblich, müssten sie daher häufiger als die zweieiigen Zwillinge die gleichen Neigungen zeigen – in diesem Fall ein ähnliches Essverhalten.

36 bis 48 Prozent erblicher Einfluss

Tatsächlich war dies der Fall: Vor allem bei der Naschlust und der Neigung zu emotionalem Essen fanden Masip und sein Team deutlichere Übereinstimmungen bei den eineiigen Zwillingen. Aus ihren Vergleichen schließen sie, dass dieses Essverhalten nicht nur Übergewicht und Fettpolster am Bauch fördert, sondern auch durch bestimmte Genvarianten begünstigt wird. Der Einfluss der genetischen Faktoren liegt bei 36 bis 48 Prozent.

Demnach spielen die Gene nicht nur eine Rolle für die physiologischen Wurzeln des Übergewichts, sondern beeinflussen auch das Essverhalten, das die Fettpolster wachsen lässt. „Der Zusammenhang zwischen Snacking sowie dem emotionalen Essen und dem Body-Mass-Index lässt sich größtenteils durch genetische Faktoren erklären“, so die Forscher. „Das stützt die Annahme, dass dieses Essverhalten und Übergewicht auf eine gemeinsame genetische Architektur zurückgehen.“

Kein unabänderliches Schicksal

Das bedeutet: Menschen mit entsprechender genetischer Veranlagung haben es unter Umständen doppelt schwer, ihr Gewicht zu halten oder zu reduzieren. Denn auch die Neigung zu ständigem Naschen oder das Problem, beim Naschen nicht mehr aufhören zu können, kann bei ihnen besonders stark ausgeprägt sein. „Die Muster des Essverhaltens sind teilweise erblich, sie sind demnach sowohl von genetischen wie von umweltbedingten Faktoren beeinflusst“, erklären Masip und seine Kollegen.

Allerdings ist selbst eine solche Veranlagung kein unabänderliches Schicksal, wie die Forscher betonen: „Diese Ergebnisse sollen nicht entmutigen, sondern aufzeigen, warum es manche Menschen schwerer haben, ihr Gewicht zu halten, als andere“, sagt Koautorin Leonie Bogl von der Medizinischen Universität Wien. „Mit einer ausgewogenen Ernährung, körperlicher Bewegung sowie mit ausreichend Schlaf kann man gegen die Genetik ankämpfen.“ (Journal of Clinical Nutrition, 2020; doi: 10.1093/ajcn/nqaa181)

Quelle: Medizinische Universität Wien

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