Genetik

Neue Augen-Gene entdeckt

Genomanalysen identifizieren 29 für unsere Sehfähigkeit wichtige Gene

Auge
Unsere Sehfähigkeit wird von unzähligen Genen beeinflusst – viele davon sind noch unbekannt oder kaum erforscht. © rzoze19/ iStock

Forschende haben 29 Gene identifiziert, die für unser gutes Sehvermögen und gesunde Augen wichtig sind. Sind sie durch Mutationen in ihrer Funktion eingeschränkt, kann dies zu Veränderungen in der Augen- und Netzhautbeschaffenheit führen und Krankheiten wie Glaukom, Makuladegeneration oder Rot-Grün-Blindheit fördern. Identifiziert haben die Forschenden diese Gene durch Genomvergleiche von gut sehenden mit visuell eingeschränkten Säugetieren, die beispielsweise nachtaktiv oder höhlenlebend sind.

Unsere Sehfähigkeit wird von einer Vielzahl von Genen beeinflusst, die die Funktionen der Gewebe und Zellen des Auges und der Netzhaut steuern. Doch für viele Augenkrankheiten und Einbußen der Sehfähigkeit sind die genetischen Ursachen erst in Teilen bekannt. Dazu gehören auch die Risikogene für den Grauen Star, Grünen Star, verschiedene Netzhaut-Fehlbildungen oder die Makuladegeneration. Auch von den Genen, die für unsere reguläre Sehfähigkeit sorgen, kennen Wissenschaftler nur einen Ausschnitt.

Genomvergleich bei gut und schlecht sehenden Säugetieren

Umso wichtiger ist es, dass nun ein Team um Henrike Indrischek vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden weitere „Augen-Gene“ identifiziert hat. Für ihre Studie hatten die Forschenden das Erbgut von 49 verschiedenen Säugetieren verglichen. Im Fokus standen dabei die Tiergruppen, bei jeweils einige Vertreter ihre Sehfähigkeit reduziert haben – beispielsweise, weil sie nachtaktiv sind, in unterirdischen Bauen leben wie der Nacktmull oder sich per Echoortung orientieren wie einige Fledermäuse.

„Bei Tierarten, die primär andere Sinne wie den Geruch oder das Gehör nutzen, kann der geringere Selektionsdruck auf die Sehfähigkeit zu wiederholten Verlusten von mit dem Auge verknüpften Genen führen“, erklären die Forschenden. „Daraus ergibt sich dann ein sogenanntes evolutionäres Verlustmuster.“ Aus diesem kann man dann schließen, welche Gene für die Sehfähigkeit und korrekte Funktion des Auges wichtig sind.

„Bei jeder Art haben wir alle Gene daraufhin untersucht, ob sie unbeschädigt sind und damit vermutlich eine Aufgabe übernehmen, oder ob sie kaputt und damit in ihrer Funktion verloren gegangen sind“, erläutert Indrischek.

15 zuvor unbekannte Augen-Gene

Das Ergebnis: Durch die Genomvergleiche identifizierte das Team 29 Gene, die eine Rolle für die Sehfähigkeit spielen. Von 15 dieser Gene war zuvor nicht bekannt, welche Rolle für das Sehen spielen, viele davon sind aber im menschlichen Auge aktiv, wie das Team berichtet. Die 14 restlichen Gene waren zwar schon bekannt, die Studie bestätigt nun jedoch, dass sie für das Sehvermögen von Säugetieren und auch des Menschen wichtig sind.

„Unsere Liste potenziell wichtiger Augen-Gene enthält nur Gene, die mindestens drei Mal unabhängig voneinander in Tierarten mit geringem Sehvermögen verloren gegangen sind“, sagt Indrischek. Eines der Gene, das bei besonders vielen schwachsichtigen Tierarten reduziert wurde, ist SERPINE3. Dieses Gen war bei allen vier untersuchten unterirdisch lebenden Nagetieren mutiert und funktionsunfähig, außerdem bei drei Fledermausarten, die primär über Echoortung jagen.

Gen SERPINE3 beeinflusst Sehnerv und Hornhautkrümmung

Das Interessante daran: Auch beim Menschen sind bereits einige Mutationen bekannt, die das Gen SERPINE3 betreffen. Eine davon steht im Zusammenhang mit einer geringeren Größe des Sehnervenkopfes, ein anderes erhöht die Krümmung der Hornhaut. „Auch andere Studien bringen SERPINE3 in Verbindung mit genetischen Varianten, die im menschlichen Auge Merkmale beeinflussen. Daher vermuten wir, dass eine Störung des Gens beim Menschen zu Augenmerkmalen und altersbedingten Augenerkrankungen beiträgt“, sagt Indrischek.

Nach Ansicht der Forschenden eröffnen diese Erkenntnisse neue Ansatzpunkte, um die genetische Basis der menschlichen Sehfähigkeit und von Augenleiden besser zu erforschen. „Bei unserer Forschung haben wir neben SERPINE3 noch einige weitere spannende Gene gefunden, die bisher nicht erforscht sind, doch vermutlich dazu beitragen, dass sich das Sehvermögen von Tierarten voneinander unterscheidet“, sagt Koautor Michael Hiller vom LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik in Frankfurt. „Wir sehen hier großes Potenzial für die künftige Erforschung von Augenleiden.“ (eLife, 2022; doi: 10.7554/eLife.77999)

Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen

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