Potenzieller Durchbruch: Dank eines neuen Tests könnte Parkinson künftig schon vor dem Auftreten der typischen Symptome diagnostiziert werden. Möglich wird dies durch den Nachweis des fehlgefalteten Proteins Alpha-Synuclein im Nervenwasser. In einer aktuellen Studie lag die Trefferquote bei Patienten mit Vorstufen der Erkrankung zwischen 63 und 97 Prozent. Im Schnitt wurden 88 Prozent der Betroffenen korrekt erkannt. Dies eröffne die Chance für eine frühere und genauere Diagnose, so die Forschenden in „Lancet Neurology“.
Parkinson ist nach Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Typisch dafür ist eine Anreicherung von fehlgefalteten Alpha-Synuclein-Proteinen im Gehirn, was zum Absterben von Nervenzellen führt. Dabei werden vor allem die Hirnzellen zerstört, die den Neurotransmitter Dopamin produzieren – die Folge sind typische Parkinsonsymptome wie Zittern, verlangsamte, verkleinerte Bewegungen, aber auch kognitive Einbußen und schließlich Demenz.
Bisher erfolgt die Parkinson-Diagnose oft erst dann, wenn die Betroffenen die klassischen motorischen Symptome bemerken. Doch zu diesem Zeitpunkt ist die Zerstörung der Dopamin-produzierenden Neuronen meist schon fortgeschritten. Das Alpha-Synuclein im Gehirn ließ sich hingegen nicht direkt bestimmen.
Alpha-Synuclein-Fahndung im Nervenwasser
Künftig könnte die Diagnose von Parkinson jedoch einfacher und früher möglich sein. Denn ein Team um Andrew Siderowf von der University of Pennsylvania in Philadelphia hat ein Verfahren entwickelt, mit dem das fehlgefaltete Alpha-Synuclein in Hirnwasserproben nachgewiesen werden kann – sogar bevor die Parkinson-Erkrankung sich über erste Symptome bemerkbar macht. Möglich wird dies durch einen speziellen Test, den Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA), der das Protein detektieren kann.
Für ihre Studie testeten die Forschenden das Verfahren in einer weltweiten multizentrischen Studie mit 1.123 Teilnehmenden. Von diesen litten 545 an Parkinson, 51 zeigten Vorformen wie Schlafstörungen oder Geruchsausfälle und 310 trugen genetische Risikofaktoren, waren aber noch nicht erkrankt. Die restlichen Testpersonen bildeten die gesunde Kontrollgruppe. Allen Teilnehmenden wurde über eine Rückenmarkspunktion ein wenig Hirnwasser entnommen und mithilfe des Tests auf fehlgefaltetes Alpha-Synuclein untersucht.
Hohe Trefferquote auch bei Vorformen von Parkinson
Das Ergebnis: Der neue Test erkannte insgesamt knapp 88 Prozent der Parkinsonfälle – darunter auch viele Betroffene mit Vorstufen der Krankheit. Bei rund 97 Prozent der Teilnehmenden mit beeinträchtigtem Geruchssinn und bei 63 Prozent der Testpersonen mit einer REM-Schlafstörung wies der Test das Alpha-Synuclein im Hirnwasser nach. Bei den meisten dieser Betroffenen erfolgte der Nachweis noch bevor es Hinweise auf ein Absterben der Nervenzellen in ihrer Substantia nigra gab.
Die Spezifität des Alpha-Synuclein-Tests lag bei rund 96,3 Prozent. Sie gibt an, wie viele gesunde Kontrollpersonen korrekt als negativ erkannt wurden. Je höher diese Rate ist, desto geringer ist die Zahl der falschpositiven Fälle. „Unsere Ergebnisse zeigen damit, dass dieses Verfahren Menschen mit Parkinson mit hoher Sensitivität und Spezifität erkennen kann“, konstatieren Siderowf und seine Kollegen. Diese Treffsicherheit gelte auch für Patienten mit noch unspezifischen Vorzeichen.
„Dieses Ergebnis ist ein Meilenstein für die Parkinson-Forschung sowie ein Durchbruch im Biomarker-Bereich und für die Entwicklung von neuen Therapien“, kommentiert Kathrin Brockmann, Leiterin der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) die Studie. Denn der Alpha-Synuclein-Test ermögliche es, die Parkinson-Erkrankung schon vor dem Auftreten der motorischen Symptome und damit sehr früh zu erkennen.
Je nach Parkinson-Typ unterschiedlich
Der Nachweis des Alpha-Synucleins kann auch dazu beitragen, verschiedene Formen von Parkinson zu unterscheiden. Denn je nach genetischer Veranlagung breitet sich das fehlgefaltete Alpha-Synuclein-Protein auf verschiedenen Wegen und unterschiedlich schnell in Gehirn und Nervensystem aus. „Da es derzeit erste Studien mit Impfungen gegen fehlgefaltete Formen des Alpha-Synucleins gibt, ist es wichtig vorherzusagen, bei welchen Patienten dieses Protein vorliegt und das Fortschreiten der Erkrankung treibt“, erklärt Brockmann.
Konkret ergab die Studie, dass Alpha-Synuclein bei 93 Prozent der Patienten mit Mutationen im GBA-Gen im Hirnwasser nachweisbar ist. Bei Betroffenen mit einer parkinsonfördernden Mutation im LRRK2-Gen lag die Trefferquote bei 78 Prozent, wie das Team berichtet. Bei Betroffenen mit Veränderungen in den Genen Parkin oder PINK1 war dagegen gar kein fehlgefaltetes Alpha-Synuclein im Nervenwasser vorhanden.
Neue Chance für Früherkennung und Therapie
„Wir können durch diesen Test nun direkt für jeden Patienten und jede Patientin individuell sagen, ob das verklumpte Alpha-Synuclein vorliegt. Damit wird nicht nur die Diagnosestellung, sondern auch die Planung von Parkinson-Studien und schlussendlich die Behandlung der Betroffenen deutlich verbessert“, sagt Brockmann. Der Alpha-Synuclein-Test ist ihrer Ansicht nach daher gut für Screening-Untersuchung genutzt geeignet.
Bisher wurde der Alpha-Synuclein-Test nur mit Hirnwasser durchgeführt, Wissenschaftler arbeiten jedoch bereits an Testvarianten, die auch weniger invasive Analysen in Blut, Haut und Schleimhaut ermöglichen. (Lancet Neurology, 2023; doi: 10.1016/S1474-4422(23)00109-6)
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V.