Medizin

Neues Antibiotikum gegen resistente Keime

Aus Fadenwurm-Symbionten isolierter Peptidwirkstoff tötet gramnegative Bakterien

Dynobactin
Das neu entdeckte Antibiotikum Dynobactin wirkt auch gegen multiresistente Bakterien. © Biozentrum Universität Basel

Scharfe Waffe gegen Klebsiella, Pseudomonas und Co: Forschende haben ein neuartiges Antibiotikum entdeckt, das auch gegen multiresistente gramnegative Bakterien wirkt – bisher besonders schwer kontrollierbare Erreger. Das aus symbiotischen Bakterien eines Fadenwurms isolierten Peptidwirkstoff Dynobactin blockiert ein entscheidendes Membranprotein dieser Bakterien. In Tests mit Mäusen schützte er diese effektiv vor einer tödlichen Sepsis und erwies sich als gut verträglich.

Die wichtigsten Waffen der Medizin werden stumpf: Durch die rasante Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen sterben heute mehr Menschen an resistenten Bakterien als an HIV und Malaria zusammen. Die bakteriellen Erreger haben sich angepasst und durch häufigen Kontakt mit den Antibiotika entsprechende Abwehrmaßnahmen entwickelt. Selbst sogenannte Reserve-Antibiotika wie Carbapeneme oder Colistin wirken oft nicht mehr. Verschärft wird diese medizinische Notlage dadurch, dass die Suche nach neuen Wirkstoffklassen lange vernachlässigt wurde.

Pseudomonas
Gramnegative Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa können tödliche Infektionen verursachen, wenn sie gegen Antibiotika resistent sind. © Janice Haney Carr/ CDC

Entsprechend nötig sind neue, wirksame Alternativen gegen multiresistente Bakterien. Dies gilt besonders für gramnegative Erreger wie Enterobacter, Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumannii oder Pseudomonas aeruginosa. „Sie sind durch ihre doppelte Membran gut geschützt und bieten daher nur wenig Angriffsfläche. Und in den Millionen Jahren ihrer Evolution haben sie zahlreiche Wege gefunden, Antibiotika unschädlich zu machen“, erklärt Koautor Sebastian Hiller von der Universität Basel.

Fahndung bei symbiotischen Bakterien

Auf der Suche nach neuartigen Antibiotika haben Hiller, Erstautor Ryan Miller von der Northeastern University in Boston und ihre Kollegen einen doppelten Ansatz gewählt: Sie suchten zunächst bei Bakterien, die von Natur aus in mehrzelligen Tieren leben und sich in diesen gegen bakterielle Konkurrenten wehren müssen. So tragen beispielsweise parasitische Fadenwürmer oft symbiotische Bakterien in sich, die dann im Wirt, der Insektenlarve, freigesetzt werden und sich dort gegen die meist gramnegative „Hausmacht“ behaupten müssen.

„Die antimikrobiellen Wirkstoffe, die diese Symbionten erzeugen, müssen für den Nematoden ungiftig sein, sich aber gleichzeitig schnell in der Larve verbreiten – das verleiht ihnen von Natur aus gute pharmakokinetische Eigenschaften“, erklärt das Team. Bereits 2021 waren sie bei dieser Fahndung fündig geworden und hatten das neuartige Peptidantibiotikum Darobactin entdeckt.

Ausgehend davon folgte nun der zweite Schritt: Die Forschenden entschlüsselten die Gene, mit denen die Fadenwurm-Bakterien diesen Wirkstoff herstellen und durchsuchten Datenbanken mit Bakteriengenomen nach diesen und ähnlichen Gensequenzen. „Die Gene für solche Peptidantibiotika besitzen ein klares Erkennungszeichen“, erklärt Koautor Seyed Modaresi. „Nach diesem Merkmal hat der Rechner das gesamte Erbgut von Bakterien, die solche Peptide produzieren, systematisch durchforstet.“

Wirkstoff schützt Mäuse vor tödlicher Sepsis

Tatsächlich wurden die Wissenschaftler fündig: Sie entdeckten Dynobactin A, eine weitere Art von zuvor unbekannten Peptidantibiotika. Dieses besteht aus zehn Aminosäuren, die zu einer hantelförmigen, durch zwei Ringe gekennzeichneten Kette zusammengefügt sind – und unterscheidet sich damit deutlich vom zuvor entdeckten Darobactin. „Die neue Verbindung, Dynobactin A, ist das erste naturbasierte Antibiotikum zuvor unbekannter Struktur, das durch einen solchen Ansatz neu entdeckt worden ist“, konstatieren Miller und seine Kollegen.

Noch wichtiger jedoch: Das Dynobactin A erwies sich in Tests mit Bakterienkulturen und Mäusen als hochwirksam gegen multiresistente gramnegative Bakterien. Kontrollmäuse, bei denen eine Sepsis durch solche Erreger ausgelöst wurde, starben 24 Stunden nach der Infektion. „Mäuse, die Dynobactin A erhielten, waren dagegen vollständig geschützt und zeigten keine Anzeichen einer Toxizität“, berichtet das Team.

Bakterielles Membranprotein blockiert

Nähere Analysen ergaben, dass das Dynobactin A ähnlich wie Darobactin am bakteriellen Membranprotein BamA ansetzt. Dieses Protein kommt bei allen gramnegativen Erregern in fast gleicher Form vor und spielt eine wichtige Rolle beim Aufbau und der Erneuerung der äußeren Bakterienhülle. Theoretisch wäre es daher ein besonders geeigneter Ansatzpunkt für Antibiotika. Aber wegen seiner speziellen Struktur galt dieses Membranprotein bisher als kaum über Wirkstoffe angreifbar, wie die Forschenden erklären.

Doch wie sich nun zeigt, setzt das Dynobactin genau an diesem Protein an: „Dynobactin steckt von außen wie ein Korken im BamA und hindert es daran, seine Aufgaben zu erfüllen“, erklärt Modaresi. Als Folge sterben die Bakterien ab. Günstig auch: Das zuvor entdeckte Darobactin setzt ebenfalls an diesem Protein an, nutzt dafür aber einen ganz anderen Mechanismus. Wenn man nun Eigenschaften der beiden kombiniert, könnte sich die antibiotische Wirkung dieser Substanzen vielleicht sogar noch verstärken lassen.

Das Forschungsteam hofft, durch seine genbasierte Fahndung künftig noch weitere neuartige antimikrobielle Wirkstoffe zu finden. „Die computerbasierte Screening-Methode wird der Suche nach den dringend benötigten Antibiotika einen neuen Schub verleihen“, sagt Hiller. „Zukünftig wollen wir das Ganze erweitern und noch mehr Peptide auf ihre Tauglichkeit hin prüfen.“ (Nature Microbiology, 2022; doi: 10.1038/s41564-022-01227-4)

Quelle: Universität Basel

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