Medizin

Neues krankmachendes Virus beim Menschen

Erstes humanpathogenes Circovirus HCirV-1 löst bei Patientin Hepatitis und Leberschäden aus

Circovirus
Circoviren galten bisher als nur Erreger von Tierkrankheiten, wie hier das porcine Cirvovirus. Doch jetzt haben Forscher ein neues, offenbar humanpathogenes Circovirus entdeckt. © Vdvornyk/ Getty images

Nicht harmlos: Mediziner haben erstmals einen Vertreter der Circoviren entdeckt, der auch uns Menschen krankmachen kann. Die neue HCirV-1 getaufte Art kann Leberzellen schädigen und eine Hepatitis verursachen, wie sich bei einer immungeschwächten Patientin zeigte. Auch hinter anderen Fällen von Leberentzündungen ungeklärter Ursache könnten diese Circoviren stecken, wie die Forscher erklären. Bisher galt diese Virengruppe als harmlos für uns Menschen, sie war nur als Auslöser einiger Tierkrankheiten bei Vögeln und Schweinen bekannt.

Circoviren wurden erst 1974 entdeckt und sind bisher kaum untersucht. Die mit bis zu 30 Nanometer Durchmesser sehr kleinen Viren sind einfach aufgebaut und besitzen keine Hülle. Ihr Erbgut besteht aus einer einzelsträngigen DNA, die zu einem Ring geformt ist – von diesem leitet sich der Name „Circo-“ ab. Bisher galten diese Viren als reine Tierpathogene, unter anderem sind sie als Erreger einer tödlichen Krankheit bei Papageienvögeln bekannt sowie für zwei Krankheiten bei Schweinen. Für Menschen galten die Circoviren aber bisher als völlig harmlos.

Eine Patientin mit rätselhafter Leberentzündung

Das hat sich nun geändert. Denn eine neu entdeckte Variante der Circoviren kann uns Menschen nicht nur infizieren, sie kann auch krankmachen. Entdeckt haben dies Philippe Pérot vom Institut Pasteur in Paris und seine Kollegen, als sie einer rätselhaften Leberentzündung bei einer Patientin nachgingen. Die ältere Frau hatte 17 Jahre zuvor eine Herz- und Lungentransplantation erhalten und nahm daher immunschwächende Medikamente. Anfang 2022 kam sie wegen einer chronischen Hepatitis ins Krankenhaus.

Als die Mediziner nach der Ursache für ihre Leberentzündung suchten, konnten sie zunächst nichts finden: Weder einer der gängigen Hepatitus-Erreger, noch eine andere Infektion mit bekannten Bakterien oder Viren ließ sich nachweisen. Die Frau hatte zudem weder Alkohol, illegale Drogen, Paracetamol oder pflanzliche Präparate unklarer Zusammensetzung konsumiert. Dennoch zeigte ihre Leber klare Anzeichen einer Entzündung. Aber warum?

Erstes humanpathogenes Circovirus

Klarheit brachte erst eine computergestützte Suche nach Gensequenz unbekannter Herkunft. Sie enthüllten die Präsenz eines zuvor unbekannten Circovirus in Blut und Lebergewebe der Patientin. Damit haben die Forscher erstmals ein Circovirus entdeckt, das uns Menschen krankmachen kann. „Das war vollkommen unerwartet“, sagt Pérots Kollege Marc Eloit. Denn die Entdeckung neuer humanpathogener Viren in Europa sei extrem selten. Die Forscher haben dieses neue Virus „human Circovirus-1“ getauft, kurz HCirV-1.

Nähere Analysen ergaben, dass HCircV-1 menschliche Leberzellen infizieren, sich in ihnen vermehren und sie dadurch schädigen kann. Dies erklärt die Hepatitis-Symptome der immungeschwächten Patientin. Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte das neue Virus auch bei anderen Patienten für noch unerklärte Fälle von Hepatitis verantwortlich sein – beispielsweise für die rätselhafte Hepatitis-Epidemie, die Anfang 2022 vor allem Kinder in Großbritannien, aber auch einigen anderen Europäischen Ländern traf.

Woher kommt HCirV-1?

Wie und wo sich die Frau mit diesem neuen Virus angesteckt hat, ist noch unbekannt. Sie war vor ihrer Infektion weder verreist noch hatte sie eine Bluttransfusion erhalten. Den DNA-Vergleichen zufolge stammt HCirV-1 zudem nicht von den in Europa bei Vögeln oder Schweinen vorkommenden Circoviren ab. „Phylogenetische Analysen platzieren diesen Erreger stattdessen in der Nähe von mehreren bisher nur bei exotischen Wildtieren bekannten Virenvarianten“, berichten die Mediziner. Das mache eine direkte Übertragung von diesen Tieren auf die Patientin unwahrscheinlich.

„Wir vermuten, dass HCirV-1 zwar tierischen Ursprungs ist, aber möglicherweise durch ein Nahrungsmittel übertragen wurde, ähnlich wie das Hepatitis-E-Virus“, schreiben Pérot und seine Kollegen. Hepatitis-E kann über unzureichend gegartes Schweine- oder Wildfleisch und daraus hergestellten Produkten in den Menschen gelangen, eine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch ist aber selten.

Ausmaß der Übertragbarkeit noch ungeklärt

Ob und in welchem Maße das neue Circovirus von Mensch zu Mensch übertragbar ist, ist noch offen. Untersuchungen ergaben aber, dass HCirV-1 auch im Speichel, im Urin und im Kot der Patientin nachweisbar war. Ob der Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder vielleicht sogar Aerosolen der Atemluft zu einer Ansteckung mit dem Virus führen kann, müsse aber noch geklärt werden, so die Forscher. Sie haben bereits einen PCR-Test für das neue Circovirus entwickelt. (Emerging Infectious Diseases, 2023; doi: 10.3201/eid2902.221468)

Quelle: Institut Pasteur

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