Arzneimittelforschung

Neues Opioid aus Pilzen?

Von der Natur inspiriertes Schmerzmittel könnte verträglicher sein als Morphin und Co

Pilz-Opioid
Der Wirkstoff Bilorphin (rot) nach Pilzvorbild dockt an Opiodrezeptoren an. © Richard B. Sessions

Verträgliche Alternative: Forscher haben womöglich eine Alternative zu gängigen Opioid-Schmerzmitteln entdeckt – in einem Pilz. Die in einer Penicillium-Art gefundenen Wirkstoffe wirken über einen anderen Signalweg als herkömmliche Opioide und könnten daher weniger gefährliche Nebenwirkungen haben. Ein nach dem Vorbild dieser Pilzsubstanzen entwickeltes Mittel war im Experiment mit Mäusen ähnlich effektiv wie Morphin.

Vielen Schmerzpatienten können nur noch Opioide Linderung verschaffen. Diese Derivate des Opiums docken an bestimmte Rezeptoren in Rückenmark und Gehirn an und blockieren auf diese Weise die Weiterleitung von Schmerzreizen. Doch der Einsatz der Mittel ist nicht unproblematisch: Opioide können schwere Nebenwirkungen verursachen und innerhalb kürzester Zeit süchtig machen – Überdosierungen enden immer wieder tödlich.

Aus diesem Grund suchen Forscher schon länger nach verträglicheren Alternativen zu den bisher verwendeten Schmerzmitteln. Zoltan Dekan von der University of Queensland in Brisbane und seine Kollegen könnten nun in der Natur fündig geworden sein: bei einem bisher unbekannten Pilz aus der Gattung Penicillium.

Überraschender Fund im Schlamm

Bisher waren Arten dieser Gattung vor allem für die von ihnen produzierten, antibiotisch wirkenden Penicilline bekannt. Doch zumindest ein Vertreter dieser Pilze scheint auch für die Schmerztherapie interessante Stoffe in sich zu tragen. Die Wissenschaftler entdeckten diese Spezies in Schlamm aus einem Gewässer im Huan Valley im australischen Bundesstaat Tasmanien.

Bei eingehenden Untersuchungen der MST-MF667 getauften Penicillium-Art stießen Zoltan und seine Kollegen auf drei Tetrapeptide. Das Besondere: Diese aus jeweils vier Aminosäuren aufgebauten Peptide verfügen über eine in der Natur sehr seltene chirale Struktur mit rechtshändigen Aminosäuren. Und: Sie ähneln den vom Menschen bekannten Endomorphinen – körpereigenen Opioiden, die auf sogenannte μ-Rezeptoren wirken.

Anderer Signalweg, weniger Nebenwirkungen

Wirkstoffe nach dem Vorbild von Endomorphinen gelten schon länger als möglicher Ansatz für Schmerzmedikamente mit weniger Nebenwirkungen und einem geringeren Suchtpotenzial als die gängigen Opioidmittel. Die Forscher nahmen ihren Fund daher zum Anlass, auf Basis der im Pilz gefundenen Peptide ein neues Analgetikum zu entwickeln.

Das Ergebnis namens Bilorphin zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es seine Wirkung auf die μ-Opiodrezeptoren über einen anderen Signalweg entfaltet als traditionelle Opioide. Wie Zoltans Team berichtet, aktiviert es den sogenannten G-Protein-Signalweg – einen Mechanismus, der mit einer Verringerung der für herkömmliche Opioide typischen Nebenwirkungen einherzugehen scheint.

Ähnlich potent wie Morphin

Weitere Experimente mit Mäusen offenbarten allerdings zunächst, dass der Wirkstoff im Körper nicht die gewünschte Wirkung erzielte. Doch schon das Hinzufügen einer Zuckereinheit führte dazu, dass das Mittel aktiv wurde. In dieser veränderten Form heißt der Wirkstoff Bilactorphin. Er kann den Ergebnissen zufolge oral eingenommen werden und ist dabei ähnlich potent wie Morphin.

Ob Bilactorphin tatsächlich das Zeug zum neuen Morphium ohne Schattenseiten hat, muss sich in Zukunft erst noch zeigen. Erfüllt sich diese Hoffnung, hätte dies jedoch weitreichende Konsequenzen: „Sind wir erfolgreich und bringen eines Tages ein neues Medikament auf den Markt, würde dies wahrscheinlich das Risiko von tödlichen Überdosierungen und anderen Nebenwirkungen reduzieren“, hofft Mitautor MacDonald Christie von der University of Sydney.

Quelle für neue Schmerzmittel

Gleichzeitig deutet die Studie der Forscher daraufhin, dass Mikroorganismen wie Pilze eine wertvolle Quelle für Schmerzmedikamente sind: „Mikroben könnten eine bisher kaum angezapfte Quelle für neue Analgetika sein und verdienen in diesem Zusammenhang eine genauere Betrachtung“, so das Fazit des Teams. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1908662116)

Quelle: University of Sydney

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